Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
untersetzte Mann, den man eher für einen Huf- als einen Goldschmied gehalten hätte, fuhr hoch. Seine Augen funkelten, die Lippen begannen zu beben, und sein Kopf nahm binnen Sekunden eine rötliche Färbung an.
Magnus hob beschwichtigend die Hände: »Leider ist der Patron deiner Berufsgruppe eine Patronin. Nix für ungut, aber das ist jetzt halt so.«
Grinsen machte sich auf den Gesichtern breit, einige lachten kurz auf.
»Alles klar! Kann mir mal einer sagen, was dieses Kinderspiel hier soll? Dieses Heiligengedöns?« Dem Mann fiel es sichtlich schwer, nicht endgültig die Beherrschung zu verlieren. »Ich lass das nicht mit mir machen!« Schnaubend stand er vor Magnus.
Der sah ihn mit stoischer Ruhe an und sagte: »Entweder Sankt Agatha, oder du spielst nicht mit bei unserem kleinen Krippenspiel. Aber ich kann dir schon jetzt prophezeien, dass du es bereuen würdest.«
Agatha schien eine Weile mit sich zu kämpfen. Noch immer atmete er schwer, ballte die Fäuste, um schließlich eine wegwerfende Handbewegung zu machen und sich wieder auf die Werkbank zu setzen. »Schon gut, von mir aus! Aber wenn eine von euch Missgeburten lacht, dann Gnade euch Gott!«
»Gut«, fuhr der Schutzpatron fort, »schön, dass wir das so schnell klären konnten. Kommen wir also zum Nächsten. Ein Mann mit unfassbarer Körperbeherrschung. Auch wenn sein Spitzname sonst ›Die Spinne‹ ist, lernt ihr ihn heute als heiligen Georg, den Märtyrer, kennen, Schutzpatron der Artisten.« Der drahtige Mann, von dem Magnus gesprochen hatte, sah freundlich lächelnd in die Runde und nickte dem Schutzpatron anerkennend zu. Er war so klein, dass er gut und gerne als Jockey hätte arbeiten können.
»Kommen wir zu den letzten beiden.«
Alle sahen nach rechts, wo noch ein grauhaariger, stämmiger Mittfünfziger und ein muskelbepackter, hellblonder Hüne saßen. »Zunächst unser Fachmann für alle Baufragen: Sankt Wunibald.« Magnus grinste, als er merkte, wie wenig begeistert der Grauhaarige über seinen Namen war. Aber nach der Episode von eben hielt der es offensichtlich für klüger, den Mund zu halten. »Er wird nicht nur alle baulichen Fragen klären – er kennt sich auch mit der Praxis aus.«
»Kann man so sagen«, bestätigte der Grauhaarige.
»Und schließlich gilt es noch einen umzutaufen, den die meisten von euch als ›Das Viech‹ kennen dürften. Für seine … nun ja, Tätigkeit gibt es nicht direkt einen Schutzpatron. Deswegen wollen wir ihm der Ordnung halber den Namen des Schutzherrn der Verbrecher und Diebe geben: Nikolaus von Myra.« Der grobschlächtige Blondschopf schien zufrieden. Er lächelte und gab dabei eine lückenhafte Zahnreihe preis.
»Eine Frage«, meldete sich Lucia. »Wieso das mit den Heiligennamen? Hat das was mit unserem Projekt zu tun?«
Magnus sah sie lange an, und die anderen erwarteten bereits einen Wutausbruch von ihm, da entgegnete er sanft: »Ja und nein. Ja, es hat was mit unserem Projekt zu tun. Und nein, weil ich das mit den Heiligen immer so mache.«
Lucia legte die Stirn in Falten. »Aha. Und warum?«
Magnus’ Gesicht wirkte plötzlich hart und grau. Er seufzte: »Fragen zu stellen ist nicht eure Aufgabe, jedenfalls nicht solche. Aber lasst mich so viel sagen: Ich habe meine Gründe. Die liegen lange zurück. Zu lange, um darüber zu reden. Ich hab der Kirche viel zu verdanken.« Bei dem letzten Satz nahm sein Gesicht wieder freundliche Züge an. »Aber nicht so, wie ihr denkt. Die Kirche hat mich unfreiwillig reich gemacht. Dank der Schätze, die dieser niederträchtige Zusammenschluss bigotter, macht- und sexgeiler Männer über die Jahrhunderte zusammengerafft hat und die ich ihr weggenommen habe …«
Magnus wischte sich über den Mund. Er hatte mehr gesagt, als er eigentlich wollte. »Nun gut. Kommen wir also zur Vorstellung unseres kleinen gemeinsamen Projekts.«
»Ich habe das Gebilde auch Herrn Zahn gezeigt, dem Vermieter der Werkstatt, also dem Ehemann des Mordopfers, er kann damit nichts anfangen«, erklärte Maier umständlich. Er saß mit den Kollegen seiner Abteilung im Besprechungsraum der Kriminalpolizei Kempten. Alle sahen sie auf ein Foto der seltsamen Skulptur, das von einem winzigen Beamer auf die Leinwand geworfen wurde. An dem Gerät, das gerade einmal so groß war wie eine Fernbedienung, hing Maiers Handy.
»Leider hatte ich nicht genügend Zeit, Detailfotos zu machen«, klagte der und warf seinem Chef einen vorwurfsvollen Blick zu, was diesen jedoch wenig
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