Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
Kollegen regelmäßig auf die Palme brachte.
»Jessesmariaundjosef«, keuchte er. Was jetzt? Anonym Anzeige erstatten? Quatsch, wie sollte das denn gehen – bei einem Autodiebstahl!
Denk nach! Überleg! , rief er sich innerlich zu. Vielleicht könnte er einfach wieder ins Büro gehen und warten bis … bis … was?
»Die haben es doch nicht mehr ganz recht! Wer klaut denn so einen alten Karren?«, stieß er plötzlich laut hervor, sodass ein Pärchen, das ihn gerade passierte, erschrocken herumfuhr und seinen Schritt beschleunigte. Kluftingers Verzweiflung schlug nun in Zorn um, den er vor allem gegen sich selbst richtete. »Warum? Warum hab ich Depp denn nie abgesperrt?«, haderte er mit sich, auch wenn diese Praxis mittlerweile rund dreißig Jahre gut gegangen war.
Er ballte die Fäuste. Nein, er würde seinen geliebten Wagen, in dem er so viel Lebenszeit verbracht hatte, nicht einfach kampflos aufgeben. Wofür war er schließlich Polizist? Er würde die Diebe aufspüren und sie dingfest machen.
Sein Kampfgeist wurde jedoch von einer im Moment viel drängenderen Frage im Keim erstickt: Wie komm ich jetzt heim?
Er sah auf die Uhr. Mit dem Bus? Nein, soviel er wusste, fuhr so spät keiner mehr. Ob er einen seiner Musikkollegen anrufen sollte? Unmöglich, die Geschichte würde spätestens bei der nächsten Probe die Runde machen. Mit dem Taxi? Bei dem Gedanken an die Kosten wurde sein Mund trocken. Andererseits: Es war ja eine Notlage, und überhaupt: Er arbeitete hart genug, da durfte er sich ja wohl auch mal was gönnen, und obendrein: Was konnte denn das schon kosten …
Noch während er all dies dachte, hatte er sich bereits auf den Weg zum nächsten Taxistand gemacht, der gleich um die Ecke bei dem großen Einkaufszentrum lag, in das er mittags oft ging, um sich einen Imbiss zu holen. Er wollte gerade in das erste Taxi einsteigen, da wurde er vom Fahrer schroff darauf hingewiesen, dass er gefälligst den Wagen am Kopfende der Schlange zu nehmen habe.
»Ja, gut, schönen Dank auch«, maulte Kluftinger, »da ist dir jetzt aber eine saubere Fuhre durch die Lappen gegangen.« Schimpfend ging er zum ersten Taxi, einem ziemlich heruntergekommenen Mercedes, dessen Fahrer die Fenster heruntergelassen hatte und den Bürgersteig mit fremdländischer Musik beschallte.
»Sind Sie frei?«, fragte Kluftinger, indem er sich durch das Beifahrerfenster ins Wageninnere lehnte.
»Steigsch du ein«, befahl ihm der Fahrer und warf seine Zigarette aus dem Wagen.
»Nein, ich würd erst noch gern wissen, was es kostet.«
»Wissmer erscht, wemma da sin«, grinste ihn der Südländer an.
»Schon klar, ich mein, so ungefähr halt. Ich will nach Altusried.«
»Fummunzwansischfuffzisch«, kam es wie aus der Pistole geschossen.
»Was?« Kluftinger war entsetzt.
»Fummun…«
»Ja, ich hab’s schon verstanden. Aber woher wollen Sie jetzt das auf einmal so schnell wissen? Ich mein, das ist doch nicht Ihr Ernst, oder? Da müssen wir schon noch … an der … Preisschraube drehen.« Kluftinger war ein erbärmlicher Verhandler, weswegen er normalerweise immer bezahlte, was man von ihm verlangte, aber in diesem Fall war das undenkbar.
Fragend blickte ihn der Mann aus dunklen Augen an.
»Ich mein: billiger. Das Fahren billiger machen. Ist ja schließlich eine Langstreckenfahrt. Über Land!«
Kurz blitzte in den Augen des anderen die Kampfeslust auf, dann sagte er gelassen: »Gud. Machma Fummunzwansisch.«
Kluftinger spannte die Kiefermuskeln an: »Dafür kann ich mir ja ein Fahrrad kaufen und …«
In diesem Moment quäkte das Funkgerät des Mannes. Der ließ den Motor an, beugte sich zu Kluftinger und grinste ihn an: »Rufsch mi halt an, dann fahr i di zum Radgeschäft.« Dann brauste er mit quietschenden Reifen los.
Ungläubig starrte der Kommissar ihm nach. Unter diesen Umständen sparte er es sich, mit den anderen Taxifahrern in weitere Preisverhandlungen zu treten, und setzte sich ziellos in Bewegung.
Sein Problem war noch immer nicht gelöst. Wen sollte er jetzt anrufen? Seine Eltern? Nein, diesen Triumph gönnte er seinem Vater nicht, der ihn immer noch behandelte, als sei er ein unmündiger Teenager. Langhammer? Indiskutabel. Erika? Natürlich, Erika könnte ihn doch abholen, schließlich … Er schlug sich mit der flachen Hand so heftig gegen die Stirn, dass es klatschte. Mit welchem Auto hätte sie ihn denn holen sollen?
»Dann lauf ich halt heim!«, rief er sich schließlich selbst zu und beschleunigte wie zur
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