Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
Und wenn sie keinen Dreck am Stecken hätten, hätten sie ihre Identität nicht verschleiern müssen. Und ich bin sicher, dass dieses komische Zeug da«, er zeigte mit der rechten Hand in Richtung der Leinwand, »für irgendwas benutzt wurde, was nicht koscher ist. Ihr?«
Alle nickten wortlos und mit gesenktem Blick.
Kluftinger schürzte die Lippen. »Gut. Wie gehen wir also weiter vor? Ich würd sagen … Eugen und Roland, ihr nehmt euch mal die Nachbarn von den Zahns vor. Vielleicht hat von denen jemand beobachtet, wer da in der Werkstatt ein und aus gegangen ist. Und fragt ruhig auch, was sie von Zahn halten und wie seine Frau so war. Der Alte ist mir nicht so hundertprozentig geheuer. Bitte gleich morgen in der Früh damit anfangen. Und Richie, du gehst bitte zu den Kollegen vom Diebstahl. Kann ja gut sein, dass die vielen geklauten Autos, die wir gerade haben, mit unserer Sache hier zusammenhängen. Vielleicht kannst du da ja heut noch was in Erfahrung bringen, ob die schon einen Verdacht haben oder zumindest mit unserer Geschichte was anfangen können.«
Um Maier, der noch immer ein wenig bedröppelt dreinblickte, ein bisschen aufzuheitern, fügte er noch an: »Und vielleicht kannst du noch mal im Internet recherchieren wegen diesem Glump in der Kammer. Eventuell kommst du da irgendwie weiter.«
Maier nickte, und der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht.
»Ach«, fügte Kluftinger noch an, »hat denn der Willi schon einen Bericht fertig?«
Die Kollegen zuckten mit den Schultern.
»Frag doch mal die Sandy, vielleicht hat die schon was!«, riet Hefele.
»Du, Roland, ich glaub, die ist immer noch ziemlich grantig auf mich wegen der Geschichte mit der Urkunde. Frag doch du sie lieber, ich geh jetzt heim.«
»Ich hab eigentlich auch keine Zeit mehr«, protestierte Hefele wenig überzeugend, schob aber sofort nach: »Aber okay, wenn’s dir hilft, mach ich’s halt.«
Kluftinger ging in Gedanken bereits seinen Feierabend durch, als er sein Büro verließ und sich auf den Weg zu seinem Wagen machte. Er sah sich schon mit geöffnetem Fenster nach Hause fahren, sah, wie er das Auto vor der Garage parkte, ausstieg und … das Auto! Mitten in der Bewegung erstarrte der Kommissar, unfähig, auch nur einen Finger zu rühren. Ihm wurde heiß und kalt zugleich. Ein paar Sekunden lang stand er einfach nur da, dann zwang er sich zu einer unbeholfenen Bewegung, rieb sich die Augen, doch das, was er sah, änderte sich nicht. Vielmehr das, was er nicht sah: Dort, wo er heute Morgen sein Auto abgestellt hatte, stand … nichts. Der Parkplatz war leer. Kein Wagen, weder seiner noch ein anderer. Nur eine leere Parklücke, die sein ungläubiges Staunen geradezu höhnisch zu erwidern schien.
Er zog die Brauen zusammen. Hatte Erika das Auto geholt? Nein, das konnte nicht sein, sie wollte heute einen Hausputz machen, Kuchen backen und erst gegen Abend einkaufen, weil ihr Sohn Markus sich mit seiner Freundin Yumiko angekündigt hatte. Markus … konnte es sein, dass er schon da war und vielleicht das Auto mit dem Zweitschlüssel geholt … um seine Yumiko irgendwohin … Schmarrn, dann hätte er sich auf jeden Fall gemeldet.
Hatte man ihn abgeschleppt? Nein, auch das konnte nicht sein, er hatte ja schließlich auf einem ordnungsgemäßen Parkplatz gestanden.
Wie in Trance spielte Kluftinger mit dem Schlüsselbund in seiner Hand, blickte sich erst ratlos um, dann wieder auf die Parklücke … Die Erkenntnis durchfuhr ihn so plötzlich, dass ihm übel wurde. Er wankte leicht und stützte sich an der Straßenlaterne ab, neben der er stand. Eigentlich war es undenkbar, aber dennoch die einzig plausible Erklärung: Geklaut! Gestohlen! Weg!
Mit zitternden Händen fummelte er sein Telefon aus der Hosentasche. Er musste die Polizei rufen, sofort. Vielleicht war es noch nicht zu spät, vielleicht waren die Diebe noch nicht weit gekommen. Er ließ seinen Finger unschlüssig über dem Tastenfeld kreisen.
»Zefix!«
Er konnte die Polizei nicht rufen.
Er war die Polizei.
Kluftinger schluckte. Wenn das die Kollegen erfuhren, wäre er auf Jahre hinaus das Gespött sämtlicher Abteilungen von hier bis Ulm und im angrenzenden Österreich. Er verfluchte sich in diesem Moment dafür, dass er den Wagen nie abschloss. »Irgendwann klauen sie ihn dir noch mal«, sagten seine Kollegen immer, worauf er jedes Mal entgegnete: »Mir klaut keiner was. Und wir sind ja nicht in Polen«, was einen aus dem Nachbarland stammenden jungen
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