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Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
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einmal vom sogenannten »Hungerast« gehört, einer Körperschwäche, die durch mangelnde Nahrungszufuhr entstand und die Leistungsfähigkeit radikal einschränkte. So weit würde er es nicht kommen lassen.
    Nun trat er kräftig in die Pedale. Bisher klappte es ja wirklich gut mit dem Radeln. Nur fünf Minuten hatte er bis zum Ortsausgang gebraucht; wenn das so weiterging, war er in einer halben Stunde bereits im Büro. Und damit sogar früher als sonst. Kluftinger atmete tief ein. Er sog die gute Herbstluft durch die Nase, genoss den Duft nach feuchtem Gras, in den sich eine leise landwirtschaftliche Note mischte, genoss es, die Kuhglocken von einer Weide und das unbeschwerte Zwitschern der Vögel zu hören, freute sich an den bunten Blättern der Bäume, die den Radweg säumten, der mit etwas Abstand parallel zur Straße verlief, und sah nach rechts hinüber zu den Gipfeln der Allgäuer Alpen, die in ein paar Wochen schon wieder von Schnee überzuckert sein würden. Allerdings wurden Kuhglocken und Vogelgesang immer wieder vom Lärm vorbeifahrender Autos übertönt. Er schüttelte den Kopf. Warum hatte er nicht schon längst den Wagen ab und zu gegen diese gesunde und umweltfreundliche Alternative getauscht? Noch dazu, wo es doch wirklich Spaß machte.
    Bereits zehn Minuten später hatte Kluftinger seine Meinung schon wieder geändert. Er hatte den Ortsteil Krugzell hinter sich gebracht und fuhr jetzt auf den letzten Metern der neuen Ortsumgehung. Ein Auto nach dem anderen zog an ihm vorbei, und immer wieder hupten einige – ob die Fahrer ihn erkannt hatten oder ihn als Verkehrshindernis betrachteten, konnte er in seiner Haltung – weit nach vorn über den Lenker gebeugt – nicht feststellen. Tiefes Durchatmen war ihm kaum noch möglich, so sehr war er inzwischen außer Atem, und zu dem Ziehen in den Oberschenkeln hatte sich ein veritables Seitenstechen gesellt. Seine »Windjacke« hatte er mittlerweile ausgezogen, nun pfiff die kalte Luft durch seinen Wolljanker, unter dem er stark schwitzte.
    Als er an einem Marterl am Wegrand vorbeifuhr, hielt er kurz an, sah sich nach allen Seiten um, kniete dann nieder und sprach, das Gesicht der Madonnenstatue zugewandt, leise: »Heiliger Antonius, kreizbraver Ma, bitte fihr mi an des Plätzle na, wo ma mei Auto hiverzoge hot. Danke. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Er bekreuzigte sich und fuhr mit frischer Zuversicht weiter – der heilige Antonius hatte ihn noch nie im Stich gelassen.
    Mit hochrotem Kopf, an dem seine nassen Haare klebten, kam der Kommissar schließlich eine weitere Dreiviertelstunde darauf keuchend und völlig am Ende seiner Kräfte vor der Kriminalpolizeidirektion an. Er lehnte sein Fahrrad an die renovierte Fassade, wohlweislich den Hinweis auf einem Edelstahlschild ignorierend, der darum bat, genau dies nicht zu tun. Wenn man ihm schon keinen Parkplatz zur Verfügung stellte und deswegen das Auto geklaut wurde …
    Kluftinger stutzte. Erst jetzt kam er überhaupt auf den Gedanken, dass er ja auch sein Fahrrad irgendwie gegen Diebstahl sichern musste! Die nötigen Vorbereitungen für seine morgendliche Tour und schließlich die ungewohnte körperliche Belastung hatten seine Sinne so in Beschlag genommen, dass er sich gar nicht damit befasst hatte. Dabei hatte er sich vor Jahrzehnten selbst ein Fahrradschloss gebastelt, das sicher auch den größten und massivsten Bolzenschneidern standgehalten hätte: Er hatte sich beim letzten Eisenwarenhändler der Stadt dreieinhalb Meter der stärksten Eisenkette besorgt, die der auf Vorrat hatte, und dazu drei schwere Vorhängeschlösser. Zwar brauchte er für diese Sicherung wegen ihres hohen Eigengewichts immer einen kleinen Rucksack, aber wenn er die Kette mehrmals durch Speichen und Rahmen schlang und dann dreimal Rahmen und Räder fest miteinander verschloss, gab ihm das ein gutes Gefühl. Die Nachfrage seiner Frau, warum er zwar einerseits Haus- und Autotür stets offen stehen ließ, meist sogar mit steckendem Schlüssel, andererseits aber sein Fahrrad sicherte, als sei es aus vierzehnkarätigem Gold, hatte er freilich nie schlüssig beantworten können. Nun lag ebendieses Schloss aber zu Hause in Kluftingers Garage.
    »Hurament!«, fluchte er schließlich und packte sein Rad. Musste er es eben mit ins Haus nehmen. Ein »Na, den Fluch hör ich aber ungern …! Morgen, Kommissar!« ließ ihn aufsehen: Im Haus gegenüber stand Uschi, eine der »Damen«, am offenen Fenster und

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