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Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
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rauchte. Kluftinger nickte und hob die Hand zum Gruß.
    »Ich wollt nur sagen, wegen …«, fuhr sie fort, doch Kluftinger winkte ab.
    »Ich hab wirklich keine Zeit für ein Schwätzchen … Frau … Uschi. Mir pressiert’s ein bissle!«, rief er, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Dann schleppte er sich und sein Fahrrad die wenigen Stufen zum Haupteingang hoch. An der Pforte nahm er den beiden diensthabenden Beamten in Uniform das Versprechen ab, besonders gut auf sein Rad aufzupassen, es sei wirklich ein außerordentlich wertvolles Fahrzeug. Die beiden Kollegen versicherten, den ganzen Tag ein Auge darauf zu haben, und Kluftinger konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein undefinierbares Grinsen dabei ihre Mundwinkel umspielte.
    Jetzt möglichst unbemerkt ins Büro kommen und sich erst mal frisch machen , dachte sich Kluftinger, als er die letzte Treppenstufe nahm. So könnte er unmöglich einem seiner Mitarbeiter …
    »Na, Chef, ham Sie heut Morgen schon mit’m wilden Zeisig gepimpert?« Sandy sah ihm ausdruckslos ins Gesicht, unter dem Arm trug sie einige Aktendeckel.
    Kluftinger starrte sie entgeistert an und krächzte mit belegter Stimme: »Ich hab … was?«
    »Mit’m wilden Zeisig gepimpert!«, wiederholte die Sekretärin. »Das haben wir in Dresden immer so gesagt. Sie wissen schon, in der Ostzone, die ich damals so fluchtartig verlassen habe, um nach Bayern, ins gelobte Land, zu pilgern.«
    Dann ließ sie ihren Chef stehen und setzte ohne weiteren Kommentar ihren Weg in Richtung Treppe fort.
    Priml, dachte Kluftinger. Nicht nur, dass sie ihn in einem derart derangierten Zustand gesehen hatte. Ihrer Reaktion war eindeutig zu entnehmen, dass sie ihm noch nicht annähernd seinen Fauxpas von gestern verziehen hatte. Gesenkten Hauptes begab er sich in sein Büro, immerhin ohne einem weiteren Kollegen zu begegnen. Dort warf er seine Tasche auf den Schreibtisch, ging zu dem kleinen Waschbecken, das in einem der Einbauschränke angebracht war, und zog sich Hemd und Unterhemd aus. Früher hatte es noch Stoffhandtücher bei der Polizei gegeben, doch in den neuen Räumen waren diese einem Spender für die hellgrüne kratzige Papiervariante gewichen, die man aus öffentlichen Toiletten kannte. Kluftinger seufzte und wischte sich den Oberkörper ab. Dann versuchte er, seine Haare zu trocknen und wieder in eine einigermaßen zivile Form zu kämmen. Schließlich spritzte er sich mit den Händen einen großen Schwall Wasser ins Gesicht, was jedoch dazu führte, dass seine Hose mehr als nur ein paar Tropfen abbekam. Seufzend zog er auch diese aus und legte sie auf der kleinen Sitzecke neben Hemd und Unterhemd zum Trocknen aus. Nur mit Socken und seiner weißen Doppelrippunterhose bekleidet, begab sich der Kommissar zu einem weiteren Einbauschrank, wo er immer einen Anzug zum Wechseln aufbewahrte. Es kam hin und wieder vor, dass er unvorhergesehen offiziell auftreten musste, etwa wenn eine eilige Pressekonferenz anberaumt wurde. Und da Erika ihren Mann dann ungern hemdsärmelig sah, bestand sie darauf, dass er den grauen Anzug mit dem Trachtensakko im Büro hängen ließ. In diesem Moment war ihr Kluftinger dafür sogar dankbar. Auch ein weißes Hemd befand sich säuberlich gebügelt in der Plastikhülle, die die Wechselkleidung vor Staub schützte. Der Kommissar machte sich gerade daran, diesen Überwurf vom Bügel zu ziehen, als er ein Geräusch hinter sich vernahm. Er fuhr herum. In der Tür stand Sandy Henske.
    »Oh, ich wusste nicht … Ich hab aber geklopft«, sagte sie und wirkte dabei weniger forsch als eben auf dem Korridor, was Kluftinger erleichtert zur Kenntnis nahm. Wenn durch diese peinliche Situation die gespannte Atmosphäre wieder ins Lot kam, dann war es zumindest für etwas gut gewesen. Derweil musterte ihn Sandy in aller Ruhe von oben bis unten, um schließlich kurz, aber vernehmlich aufzulachen. »Ich hab genug gesehen, ich komm später wieder«, sagte sie und verschwand aus dem Zimmer.
    Bevor er sich wieder anzog, prüfte der Kommissar ausgiebig sein Spiegelbild, wobei er unbewusst seine Brust blähte und den Bauch einzog, bis ihm die Luft wegblieb, und er sich selbst versicherte, dass die sportliche Aktivität, der er sich heute Morgen ausgesetzt hatte, bereits einen positiven Einfluss auf seine Figur gehabt habe. Dann verließ er frisch gekleidet sein Zimmer und spähte zu Sandys Schreibtisch hinüber. Erleichtert stellte er fest, dass die gerade nicht am Platz war, sah sich

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