Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
als die letzten dreißig Jahre? Und überhaupt: Wo ist eigentlich das Auto?«
Kluftinger wollte gerade zu einer detaillierten Beantwortung der Fragen ansetzen, hielt dann aber inne. Nach kurzem Überlegen sagte er nur: »Ich fahr heut mit dem Fahrrad! Mach ich jetzt übrigens öfters!« Dann pumpte er eifrig weiter.
Erika sah ihn ungläubig an. »Bist du … krank?« Sie klang ernsthaft besorgt.
Ihr Mann hielt inne und blickte sie von unten an. »Nein, Erika, ich bin nicht krank … noch nicht. Und damit ich es auch nicht werde, mache ich jetzt was für meinen Körper. Ein bissle Trimm-dich halt, damit ich wieder in Form komm! Ist auch gut für meine Linie.«
Erika musterte ihn skeptisch und begann schwerer zu atmen. Eine leichte Zornesröte machte sich auf ihren Wangen breit. »Du kannst ruhig auch gleich sagen, dass du eine andere hast! Dann weiß ich wenigstens Bescheid!« Sie schluchzte vernehmbar.
Kluftinger blickte seine Frau entgeistert an. Dann stand er ächzend aus der Hocke auf und ging laut lachend auf sie zu. »Erika! So ein Schmarrn!«
Doch als er sie in den Arm nehmen wollte, stieß sie ihn zurück. »Lachst du mich jetzt auch noch aus? Wer ist es denn? Die Henske?«
Kluftinger konnte sich einen weiteren Lacher nicht verkneifen. Ausgerechnet Sandy Henske – er hätte nie gedacht, dass seine Frau jemals einen Gedanken daran verschwenden könnte. Wieder zog er Erika an sich, und diesmal bekam er keine Gegenwehr zu spüren. »Jetzt hör halt auf! Als ob ich eine andere Frau hätt! Wer will mich alten Dackel denn noch? Und übrigens: Das wär mir viel zu anstrengend. Du reichst mir voll und ganz!«
»Ach so? Wenn das der einzige Grund ist, dann können wir uns auch gleich scheiden lassen!«, gab seine Frau zurück und entwand sich ihm wieder. »Und was war mit dem Parfüm gestern?«
»Ach, Erika, das war völlig harmlos, wirklich! Ich bin … ich erklär dir das nachher, versprochen! Nix, was du jetzt vielleicht meinst. Mach dir bitte keine Sorgen, ja?« Er zog sie lächelnd wieder an sich. »Aber ich muss jetzt mein Rad aufpumpen!«
»Was soll denn jetzt das auf einmal, mit dem Fahrrad? Ich mein, ich hab ja nichts dagegen, wenn du auf dich schaust, aber was ist denn plötzlich passiert, dass du …«
»Erika«, fiel ihr Mann ihr ins Wort, »es geht mir ja auch nicht nur um meine Gesundheit. Das ist ja auch eine Frage der Umwelt. Schau, wenn allein jeder von meiner Abteilung mit dem eigenen Auto ins Geschäft fährt, was da an Benzin draufgeht. Und wegen dem Treibhauseffekt! Wir können doch nicht so tun, als ob uns das alles nichts angehen würde.«
Mit zusammengezogenen Brauen sah Erika ihren Mann an. Kluftinger wurde klar, dass dieses Argument aus seinem Mund kaum glaubwürdiger klang als die plötzliche Sorge um seine körperliche Fitness. Daher beschloss er, schnell das Thema zu wechseln. »Du, ich hab außer dem Kaffee noch nichts gefrühstückt. Was haben wir denn da?«
»Von gestern sind noch Semmeln übrig. Was willst du drauf? Leberwurst oder Frischkäse?«
Kluftinger überlegte. Es war ganz schön weit nach Kempten, und da er keine körperliche Anstrengung gewohnt war, würde die Strecke kräftezehrend sein. Wahrscheinlich sollte er lieber irgendein Fitnessessen zu sich nehmen. Langhammer betonte doch immer wieder, dass sein Powermüsli ihm Kraft für den ganzen Tag gab. »Haben wir ein Müsli?«
Erika stockte regelrecht der Atem. »Du willst …. was?«
»Müsli halt. Und wenn du welche hast, nehm ich mir auch noch so Riegel mit, als Brotzeit!« Dann wandte er sich wieder seinem Rad zu.
Kopfschüttelnd stand Erika in der Tür. »Ich hab keine Ahnung, was mit dir los ist. Ich vertraue aber einfach darauf, dass du mir sagst, was es ist, wenn du so weit bist, ja?«
»Alles gut, glaub’s mir! Was ist jetzt mit dem Müsli?«
»Du, schau grad selber nach, ich geh jetzt erst mal ins Bad, mir ist kalt!«, erklärte Frau Kluftinger und schloss lautstark die Garagentür.
Zwanzig Minuten später radelte Kluftinger am Altusrieder Ortsschild vorbei. Er hatte im Vorratsschrank in einem Schraubglas tatsächlich noch Cornflakes gefunden, die allerdings alles andere als knusprig waren, aber das machte Kluftinger genauso wenig aus wie der Umstand, dass es sich dabei streng genommen nicht um Müsli handelte. In seine Aktentasche, die nun notdürftig auf dem Gepäckträger festgeklemmt war, hatte er noch drei Schokoriegel gepackt. Er hatte bei der Berichterstattung über die Tour de France
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