Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
Vom Netzwerk:
Polizeipräsident alle Teilnehmer vor. Die rot gelockte, schlanke Frau im lachsfarbenen Walkjanker hieß Doktor Margit Wallmann und war Historikerin der Universität München, die grauhaarige Frau, die aus der Nähe deutlich jünger wirkte, war Eva Brandstätter, eine Expertin einer großen Stuttgarter Versicherung. Und der letzte unbekannte Mann, den Kluftinger insgeheim schon »den Bodybuilder« getauft hatte, ein bärtiger, kräftiger und athletischer Mann in Jeans, dessen Sakko über dem T -Shirt kaum zuging, wurde ihnen als René Preißler, Chef der Sicherheitsfirma AllSecur , vorgestellt. Der Altusrieder Pfarrer sei ebenfalls Mitglied der Kommission, heute allerdings wegen einer Beerdigung verhindert.
    »Als Erstes is wichtig, dass wir uns alle auf den gleichen Wissensstand bringen, ned?«, begann Lodenbacher. »Denn wenn mir für die Sicherheit dieses einmaligen Schatzes do … also … garantieren sollen, dann müass mer wissen, was dahintersteckt. Herr Hösch, möchten Sie gleich anfangen, wie alles begann?«
    Kluftinger nickte kaum merklich. Es war ein anerkennendes Nicken, und er zog innerlich den Hut vor Lodenbacher. Denn der kaschierte offenbar mangelnde Vorbereitung geschickt durch taktisches Vorgehen. Und der Kommissar, dessen Kenntnisse ebenfalls einer Auffrischung bedurften, konnte davon nur profitieren.
    Zunächst betonte der Bürgermeister die immense Bedeutung und Chance für die Gemeinde, die die dauerhafte Ausstellung eines so bedeutenden Kunstschatzes mit sich bringe, wobei er dieselben Floskeln verwendete wie bei jeder Rede, die Kluftinger bisher von ihm gehört hatte. Und das waren im Laufe von Höschs jahrzehntelanger Amtszeit einige gewesen. Erstens schaffte er es bei jeder Rede, irgendeinen Bezug zur Laienspieltradition des Ortes herzustellen, der Bürgermeister hielt dies wohl für eine Art moralische Verpflichtung. Und immer ging es um »großes Engagement«, um »Gemeinschaftsleistung«, »Zusammengehörigkeitsgefühl, Stolz und Freude«, um »Tradition und Fortschritt« und ein »lebenswertes Miteinander«. Kluftinger hätte die Reihe noch eine Ewigkeit fortsetzen können. Noch dazu, da sich Höschs Kollegen aus anderen Gemeinden sehr ähnlich ausdrückten, egal welchem politischen Lager sie angehörten. Vielleicht gab es da so eine Art Lehrbuch, das man bei Übernahme eines Amtes automatisch bekam und das die Würdenträger geflissentlich auswendig zu lernen hatten.
    »Besonders wichtig ist mir natürlich der Schutz der Ausstellung vor Raub und Diebstahl, denn ein Zwischenfall kann die gesamte innere Sicherheit von Altusried in Gefahr bringen!«, tönte Hösch schließlich pathetisch.
    Kluftinger verdrehte die Augen. Die »innere Sicherheit« einer Zehntausend-Seelen-Gemeinde! Bald würde man in Altusried ein eigenes Verteidigungsministerium brauchen. Einen Geheimdienst hatte man eh schon, auch wenn der nicht institutionell war, sondern aus sämtlichen Vereinsmitgliedern, Frauenbünden, der Musikkapelle und der Feuerwehr bestand – denen blieb im Dorf nichts verborgen.
    »Zuletzt möchte ich betonen«, erklärte Hösch, »dass ich es großartig finde, mit Herrn Kohler als dem Finder einen so würdigen Schirmherrn zu haben, der noch dazu aus der Nachbargemeinde Dietmannsried stammt. Ein Zeichen, dass die Altusrieder gewillt sind, auch mal über den Tellerrand und somit die Ortsgrenzen hinauszusehen.«
    Ein Akt wahrer Völkerverständigung , dachte Kluftinger.
    Dann war die Historikerin an der Reihe. Sie stand auf, entfaltete ein Blatt und begann zu lesen: »Aus dem Altusrieder Bekanntmachungsblatt des Jahres 1935. Doktor Heberle über die Burg Kalden in der Überlieferung des Volkes, welche ihm sein Vater berichtet hat: Ferner schreibt mein Vater, dass einmal bei einem angehenden Gewitter zwei Hexen mit aufgezogenen Röcken in der Iller unterhalb Kalden standen und einen Hagel heraufbeschwören wollten. Die eine rief: ›Schlag! Schlag!‹ Dann sagte die andere: ›I ka it schla, Mange Hund billt!‹ Von der Sankt-Magnus-Kapelle in Sommersberg jenseits der Iller ertönte eben das Wetterglöcklein.«
    Die Historikerin blickte auf. »Was Sie hier eben gehört haben, war eine Volkssage, klar. Aber die moderne Geschichtswissenschaft ist zunehmend gewillt, solche Sagen als Quellen für ihre Forschung zu nutzen. Und das Mange Hund billt , also der Hund von Sankt Mang bellt , sprich, die Glocke der nahen Magnuskapelle läutet , dürfte wohl der erste Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen

Weitere Kostenlose Bücher