Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
Toilette verließ, mit einem »Nein, das ist er nicht!«. Markus Kuffler, der wieder in den Besprechungsraum zurückkam, sah verwundert das WC -Schildchen auf der Leinwand und ließ sich von seiner Kollegin auf den aktuellen Stand bringen.
»Hast du noch genügend Platz auf der Platte, Richie?«, fragte Strobl dazwischen.
»Es wird immer heikler, aber noch ist es im grünen Bereich.«
»Ihr kommt jetzt rein?«, rief Kluftinger plötzlich in den Hörer. »Gut, sofort aufs Klo, Männer.« Dann schaltete er den Lautsprecher ein, und die anderen konnten nun auch Bydlinskis Stimme hören. Kluftinger bekam eine Gänsehaut, als er die Polizisten, zwei Männer und eine Frau in Uniformen, gefolgt von Valentin Bydlinski in Lederjacke und mit Mobiltelefon am Ohr, durch den Kameraausschnitt vor den Kassen laufen sah. Sie riefen den Kassiererinnen etwas zu und schlugen den Weg zu den Toiletten ein. Immer wieder wurden sie von langsam schlendernden Besuchern aufgehalten und mussten sie links oder rechts überholen. Schließlich hatten sie die Toilettentür erreicht.
»So, jetzt geht die Gendarmerie aufs Häusl, und dann schnapp mer uns das Vögerl«, war aus dem Telefon zu vernehmen, und alle Polizisten verschwanden aus dem Bild.
In Kempten wagten die Anwesenden kaum zu atmen. Sie sahen sozusagen einer Live-Krimi-Übertragung zu. Undefinierbare Geräusche drangen aus dem Telefonlautsprecher. Kluftingers Nerven waren aufs Äußerste gespannt. Er hielt es nicht mehr aus, noch länger auf die unbewegte Klotür auf der Leinwand zu starren, schob seinen Stuhl ein wenig vom Tisch weg und stützte die Arme auf den Oberschenkeln auf, das Gesicht auf den Handflächen ruhend. Er fuhr hoch, als ein »Klufti?« aus dem Lautsprecher schepperte.
»Du, also, mir sind hier aufm Häusl, und bis auf den Umstand, dass es hier furchtbar stinkt, ist die Luft quasi rein. Also entweder hat er sich geschwind eingemauert oder runtergespült. Weil Fenster gibt’s eh kans. Habt’s ihr einen Knick in der Optik oder was?«
»Zefix!«, schimpfte Kluftinger. »Er muss da sein, er ist ja nicht rausgekommen seitdem!«
Wenige Minuten zuvor
Sie hatten sich gut vorbereitet auf diesen Besuch. Dennoch prüfte Magnus noch einmal den Inhalt seines Rucksacks. Eigentlich dürfte nichts schiefgehen. Sie nickten sich noch einmal zu, bevor Agatha die wenigen Stufen hinaufstieg und in einem der Torbogen verschwand. Magnus wartete ein paar Minuten, zündete sich eine Zigarette an und betrachtete die imposante Umgebung: Der Heldenplatz schien das richtige Ambiente für ihre Unternehmung, denn auf eine gewisse Art waren sie genau das – Helden. Auch der gewaltige Rundbogen mit den unzähligen Säulen der Neuen Burg ließ niemanden kalt, schon gar nicht jemanden mit so viel Kunstverstand, wie er ihn hatte.
Er seufzte: Zu gerne hätte er sich weiter in diesem architektonischen Paradies verloren, doch er war ja nicht zum Vergnügen hier. Er trat seinen Zigarettenstummel aus und begab sich ebenfalls in die Eingangshalle. Er wusste, wie er sich zu bewegen hatte, wusste, wo sich die Kameras befanden, ohne dass er hinsehen musste. Es war von Vorteil, wenn Ausstellungen in solch bekannten Gebäuden stattfanden – da waren die Sicherheitseinrichtungen in ihren Kreisen mindestens so bekannt wie die Bauten selbst bei den Touristen.
Er spürte das warme Gefühl der Vorfreude, als er durch das große Portal trat. Auch dort musste er sich zusammenreißen, um nicht wieder ins Schwärmen zu geraten, so beeindruckt war er von dem riesigen Atrium, das er durchqueren musste, um in die Räume mit dem Schatz zu kommen. Wie ein ganz normaler Tourist kaufte er sich sein Ticket.
Bevor er hineinging, hielt er noch einmal kurz inne, atmete tief durch und mischte sich dann unter die zahlreichen Besucher. Gleich würde er zum ersten Mal im Original sehen, wofür er schon so lange arbeitete. Zwar war das so nicht geplant gewesen, aber er hatte gelernt, sich anzupassen. Er war flexibel geworden in all den Jahren, denn selten verlief alles reibungslos.
Die neue Lage bot ihm nun immerhin die Möglichkeit, vorab zu betrachten, was sie bald in ihren Händen halten würden. Ein erhebender Moment. Denn die Ehrfurcht vor den Dingen, die er »besorgte«, wie er es immer nannte, war im Laufe der Zeit nicht geringer geworden. Auch wenn ihn die Jahre seiner Kindheit, die er in kirchlichen Heimen zugebracht hatte, die vielen Demütigungen, die körperlichen und seelischen Qualen, die er dort hatte
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