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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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passieren, wie?«
    »Ja. Wahrscheinlich.«
    »Hier. Ich meine, hier in diesem Zimmer.«
    »Ja.«
    »Und was wirst du machen, wenn’s losgeht?«
    »Das weiß ich noch nicht«, sagte Dill.
    »Vielleicht solltest du besser schon mal darüber nachdenken.«
    »Ja«, stimmte er zu, »das sollte ich vielleicht.«
    Dill war am nächsten Morgen um sieben aufgestanden und machte in Anna Maude Singes Küche Wasser für Pulverkaffee heiß. Er trug zwei dampfend heiße Becher zu ihr ins Schlafzimmer. Sie öffnete die Augen und setzte sich barbusig in ihrem Bett auf. Dill hockte sich auf die Bettkante, drückte ihr einen der Becher in die Hand, beugte sich zu ihr hinab und küßte ihre rechte Brust. Mit einem Ruck zog sie sich das Laken bis zum Kinn hoch, nippte an ihrem Kaffee und starrte auf den billigen Druck eines Stillebens an der gegenüberliegenden Wand. Dann sagte sie: »Ich frag mich, was ich tun soll, wenn sie mich wieder aus dem Knast rauslassen.«
    »Du könntest eine Weile in Washington leben, und wenn dir das irgendwann zuviel wird, könnten wir uns davonmachen und irgendwo anders leben.«
    Sie starrte ihn verwundert an. »Warum glaubst du eigentlich, daß ich das möchte?«
    »Weil du meine Süße bist.«
    »Sei dir da nur nicht zu sicher, Dill.«
    Um 7 Uhr und 49 Minuten morgens, am Montag, dem 8. April, blieb Dill in einem Stau nahe der Kreuzung Our Jack Street und Broadway stecken. Während er wartete, beobachtete er die Digitalanzeige an der First National Bank, wie sie gerade von 7 Uhr und 49 Minuten und 33 Grad Celsius auf 7 Uhr und 50 Minuten und 34 Grad Celsius weiterrückte. Die müde Stimme eines Nachrichtensprechers kündigte aus dem Autoradio für nachmittags 15 Uhr 41 Grad Celsius an.
    Nachdem er den Ford in der Tiefgarage geparkt hatte, fuhr Dill mir dem Fahrstuhl hinauf. An der Rezeption sah er nach, ob Post für ihn da war. Es war nichts für ihn da.
    Die ältliche Frau, die er für den Dauergast des Hotels gehalten hatte, stand neben ihm am Tresen. Als er sich ihr zuwandte, blickte sie ihm voll ins Gesicht, zögerte und sprach ihn dann an.
    »Sie sind der Junge von Henry Dill, nicht wahr?« sagte sie mit leiser, weicher Stimme.
    »Ja, der bin ich. Haben Sie ihn gekannt?«
    »Vor langer, langer Zeit«, sagte sie. »Ich bin Joan Chambers.« Sie musterte Dill und prägte sich jeden Zug ein. »Wissen Sie, Sie sehen aus wie Ihr Vater. Dieselbe Nase. Dieselben Augen. Er und ich sind einen Sommer lang zusammengewesen. Das war 1940 – der letzte Sommer vor dem Krieg. Manchmal glaube ich, daß es damals überhaupt der allerletzte schöne Sommer gewesen ist.«
    Sie hielt inne und fügte dann hinzu: »Ich habe von Ihrer Schwester gelesen. Felicity. Das tut mir sehr leid.«
    »Danke«, sagte Dill.
    »Entschuldigen Sie, Ma’am«, sagte eine Männerstimme hinter ihm. Mrs. Chambers machte einen Schritt zurück. Dill drehte sich um. Die Stimme gehörte zu Captain Gene Colder. Heute trug er weder seinen blauen Jogginganzug noch seine Nike-Laufschuhe. Statt dessen trug er einen hervorragend gebügelten, dunkelbraunen Mohairanzug, eine elegante Seidenkrawatte und ein blaues Hemd, dessen Kragenecken mit einer goldenen Nadel befestigt waren. Colder war frisch rasiert, aber unter seinen Augen lagen tiefe Ringe, und die Falten um seinen Mund wirkten grimmig.
    »Ich habe auf Sie gewartet«, sagte er und schien die Frau, die ihm zuhörte, gar nicht zu bemerken.
    »Warum?« sagte Dill.
    »Wir wissen jetzt, wer Ihre Schwester umgebracht hat«, sagte Colder.
    »Das wurde auch höchste Zeit«, meinte die Frau, die ihren allerletzten schönen Sommer mit Dills Vater verbracht hatte. Dann wandte sie sich ab und ging davon.

32
    An einem Ecktisch in der Kaffeestube des Hawkins Hotel erklärte Colder weitschweifig, daß es nicht seine Idee gewesen wäre, Dill von der Entdeckung, die seine Abteilung gemacht hatte, in Kenntnis zu setzen. Er wäre nur, sagte er, auf nachdrückliches Bitten von Chief of Detectives John Strucker gekommen. »Ich bin schon seit sieben Uhr hier«, fügte er hinzu.
    »Wer hat sie getötet?« fragte Dill.
    In diesem Augenblick erschien die Kellnerin, und Colder bestellte Kaffee, Orangensaft und Roggentoast. Dill verlangte nur Kaffee. Als die Kellnerin gegangen war, zog Colder ein kleines Ringheft aus der Jackentasche und begann zu sprechen, wobei er kaum einen Blick auf seine Notizen warf.
    »Am Samstag, dem 7. August, um 11 Uhr und 57 Minuten wurde vom Bezirksrichter F. X. Mahoney ein

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