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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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der Strategie des Generals – oder auch seiner Taktik – Fastest Street genannt, was bedeutete, mit einer Überzahl an Leuten am schnellsten irgendwohin zu gelangen. Dill hatte sich die Geschichte von seinem Vater erzählen lassen, obwohl er noch nie jemanden kennengelernt hatte, der von ihr als der Fastest Street gesprochen hatte. Als er Spivey danach befragte, hatte der ihm die Auskunft gegeben, daß sein Großvater sie so genannt hätte, doch daß sein Granddaddy ja immerhin auch ein echter alter Wirrkopf gewesen sei, der so um das Jahr 1895 das Licht der Welt erblickt hätte.
    Als sie durch das wiederaufgebaute Innenstadtgebiet fuhren, versuchten sie sich zu erinnern, was einstmals dort gestanden hatte, wo jetzt die neuen Gebäude emporragten – oder noch immer in die Höhe wuchsen. Manchmal fiel es ihnen wieder ein; manchmal setzte ihre Erinnerung aus. Spivey meinte, er fühlte sich sehr alt, wenn er sich nicht mehr daran erinnern könnte.
    »Warum bist du hierher zurückgekommen, Jake – ich meine wirklich? Doch wohl nicht nur, um hier eine Dornenhecke um dich herumzuziehen. Das hättest du auch überall anderswo tun können.«
    Spivey dachte einen Augenblick darüber nach. »Nun, verdammt, ich schätze, daß ich aus demselben Grund hierher zurückgekommen bin, aus dem Felicity nie von hier weggegangen ist. Das hier ist Heimat. Du, Pick, hast es ja immer gehaßt. Ich nie. Ich erinnere mich an den Sommer, als du elf gewesen bist und dein Alter dich mit nach Chicago genommen hat und du zum ersten Mal eine Wasserfläche gesehen hast, bei der deine Augen nicht bis ans andere Ende sehen konnten. Ich dachte damals, du würdest nie damit aufhören, davon zu labern. Chicago.
    Gott, das klang bei dir, als wäre es das verdammte Paradies. Aber als ich siebzehn oder achtzehn war, bin ich selbst hingekommen, und alles, was ich gesehen hab, war eine riesige, beschissene Stadt, die von irgendwelchen Leuten, die ein komisches Kauderwelsch sprachen, direkt an einen riesigen, dreckigen See gebaut worden ist.«
    »Ich mag Chicago immer noch.«
    »Und ich mag’s noch immer hier am liebsten, weil ich die Hundesöhne hier verstehen kann, und wie die Leute so sagen, heißt das eben, daß das meine Heimat ist. Heimat – das ist genau da, wo ich meine Dornenhecke wachsen sehen will und meinen Schutzwall baue und damit protze, wie der stinkreiche, arme, kleine, alte Jake Spivey es zu was gebracht hat.« Er grinste. »Das gehört dazu.
    Den Hundesöhnen unter die Nase reiben, wie reich man geworden ist.«
    »Rache«, sagte Dill.
    »Nun übertreib’s mal nicht.«
    »Tu ich nicht«, sagte Dill. »Ich glaube, das tu ich ganz und gar nicht.«
    Auf halbem Weg zum Gatty International Airport stellte Dill eine Frage, deren Antwort er bereits zu kennen glaubte. Es war die erste einer Reihe von Fragen, deren Beantwortung darüber entscheiden mochte, wer am Leben blieb, wer sterben mußte und wer im Knast landen würde.
    Dill stellte die erste Frage so beiläufig wie möglich.
    »Wann, sagst du, hast du Brattle zum letztenmal gesehen?«
    »Vor ungefähr anderthalb Jahren – in Kansas City.«
    »Du sagst, du wärst damals hingefahren, um ein paar Schriftstücke zu unterzeichnen.«
    »Nun jaaa«, sagte Spivey gedehnt, »es könnte noch ein bißchen mehr gewesen sein als das, Pick.«
    »Wie das?«
    »Clyde war ziemlich sauer auf mich. Er dachte, ich schuldete ihm was – schuldete ihm jedenfalls genug, um gegenüber dem Bundesanwalt für ihn zu lügen. Ich mußte ihm sagen, daß ich niemandem so viel schuldig wäre. Nun, wir gossen uns ein paar hinter die Binde, und plötzlich fing er an, herumzutönen und sich aufzuspielen, und drohte, wenn ich nicht für ihn aussagen wollte, würde er schon dafür sorgen, daß ich auch nie gegen ihn aussagen könnte. Ich gab ihm zurück, daß er dann schon ganz auf Nummer Sicher gehen und mich umlegen müßte. Er sagte, darauf könnte ich Gift nehmen. Da habe ich ihm eine geschmiert, und er hat zurückgeschlagen, und mittendrin kamen dann mit einemmal Sid und Harley reingestürzt und machten der Sache ein Ende, bevor wir beide einen Herzanfall bekamen. Und dann griff er sich Sid und Harley, zeigte auf mich und sagte: ›Seht ihr den da?‹ und die beiden sagten: ›Ja, wir sehen den Typ.‹ Und dann wurde Clyde hochdramatisch und sagte: ›Also, merkt ihn euch gut, weil er von heute an ein toter Mann ist, habt ihr mich verstanden?‹ Dann war es entweder Harley oder Sid, ich weiß nicht mehr genau wer, der

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