Schwaben-Angst
Überwachung von Gerd Seiter eingeteilt.«
»Und der Mann ist nicht mehr da?«
»Genau.«
»Sie haben ihn verschlafen, als er aus dem Haus ging?« Neundorfs Ton wurde schärfer. »Mein Gott! Der Mann ist in größter Gefahr! Wie viele Disziplinarverfahren haben Sie schon am Hals?«
»Nein, so ist es nicht.« Die Stimme des Beamten klang jetzt ebenfalls aufgeregt. »Ich hatte die Haustür und die Umgebung immer im Auge. Er kann mir nicht entgangen sein.«
»Wieso ist er dann weg?«
»Es gibt nur eine Erklärung, so seltsam sie auch klingt. Er muss den Hinterausgang benutzt haben. Absichtlich.«
»Gibt es den?«
»Durch den Keller. Ich habe es überprüft. Er führt in den Hof. Von dort gelangt man ungesehen in die Parallelstraße.«
»Sie erzählen mir jetzt diese Story, um von Ihrem Versagen abzulenken?«, wütete die Kommissarin.
Der Mann konterte sofort. »Rufen Sie in meiner Dienststelle an und überzeugen sich von meiner Reputation. Ich habe keinen Anlass zu lügen. Es tut mir Leid, aber ich kann mir nichts vorwerfen.«
Neundorf wusste, wie schwierig es war, eine Personenüberwachung durchzuführen, noch dazu möglichst unauffällig, lenkte ein. »Woher wissen Sie, dass Seiter verschwunden ist?«
»Ich habe die Anweisung, ihm zu folgen, wenn er kurz nach elf das Haus verlässt, um in sein Büro zu fahren. Er kam aber nicht. Ich versuchte, ihn per Handy zu erreichen, erhielt aber keine Verbindung. Zwanzig vor zwölf läutete ich dann an seiner Wohnung. Als er nicht öffnete, schloss ich auf. Er ist weg.«
»Wie sieht die Wohnung aus?«, fragte Neundorf. »Alles in Ordnung?«
»Es gibt keinen Grund zur Aufregung, falls Sie das meinen. Keinerlei Anzeichen einer fremden Person, einer Auseinandersetzung oder so. Der Mann muss die Wohnung schon länger verlassen haben. Als ich aufschloss, roch es nach Kaffee und das Frühstücksgeschirr steht noch auf dem Tisch.«
»Haben Sie ihn heute schon gesehen?«
»Ja, kurz vor neun. Er lief zum Bäcker, besorgte Brötchen, kam kurz darauf zurück.«
»Was ist mit seinem Auto? Ist es weg?«
»Nein. Es steht unberührt vor dem Haus.«
»Und Sie glauben wirklich, er hat uns absichtlich gelinkt?«
»Es kann nicht anders sein«, beharrte der Mann, »er kam nicht durch die Haustür.«
»Vielleicht ist er in seinem Sender. Haben Sie schon angerufen, ob er dort aufgetaucht ist?«
»Sofort, nachdem ich die leere Wohnung sah. Die wissen von nichts.«
»Kann der wirklich so dämlich sein, vor uns davonzulaufen?«
»Das kann ich nicht beurteilen. Ich kenne ihn nur von Bildern, habe ihn nur heute Morgen kurz gesehen, als er zum Bäcker ging.«
»So ein Idiot. Wenn er nicht bald irgendwo auftaucht, werden wir eine Großfahndung nach ihm ausrufen müssen. Ich werde meine Kollegen unterrichten und alles dafür vorbereiten. Sie bleiben an Ort und Stelle und geben sofort Bescheid, falls Sie ihn doch noch zu Gesicht bekommen. Hoffen wir, dass er nicht aus der Wohnung entführt wurde.«
»Tut mir Leid, dass es so kam.« Die Stimme des Beamten klang resigniert. »Aber ich habe die ganze Zeit aufgepasst. Ist der Mann wirklich in großer Gefahr?«
Neundorf seufzte auf. »Ich fürchte, ja. Wir haben schon drei Tote. Er könnte der Vierte sein.«
31. Kapitel
Haben Sie es gewusst?«, fragte Braig.
Er saß auf dem Sofa, die Fotos auf dem Tisch ausgebreitet, schaute zu Susanne Braun hinüber. Sie hatte hemmungslos geweint, die Katze an sich gedrückt, einen Strom nicht versiegender Tränen auf den Wangen.
»Nein«, hauchte sie, »nein.«
Er war so überrascht gewesen, dass er eine Weile gebraucht hatte, bis er endlich reagierte. Die Kölner Kollegen waren sofort bereit, ein Team von Technikern in die Wohnung Frau Brauns zu schicken, um sie auf Fingerabdrücke zu überprüfen. Keine zwanzig Minuten nach seiner Anforderung waren sie bereits eingetroffen, untersuchten die Kleidungsstücke und Gebrauchsartikel, die die Wohnungsinhaberin als Eigentum ihrer Freundin deklarierte. Braig hatte in Stuttgart im Amt angerufen, den neusten Stand seiner Ermittlungen mitgeteilt und Rössle darum gebeten, der Kölner Polizei die Fingerabdrücke Herbert Bauers zu übermitteln. Dreißig Minuten später hatten sie den unwiderlegbaren Beweis.
»Warum?«, fragte er sein Gegenüber. »Was hat sie dazu veranlasst?«
Susanne Braun wusste keine Antwort.
»Sie haben wirklich geglaubt, sie sei in Hamburg?«
»Warum sollte ich daran zweifeln? Sie hat es mir selbst erzählt. Außerdem zwei- oder
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