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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Katja nimmt, was sie bekommt. Die Zeiten sind vorbei, wo sie sich das noch aussuchen konnte.«
    »Warum? Spielt sie nicht mehr so gut?«
    Die Frau am anderen Ende ließ ein bitteres Lachen hören. »Sie sind gut. Katja ist fünfundvierzig. Zu alt, verstehen Sie? Das ist ihr Problem.«
    »Mit fünfundvierzig? Das darf doch nicht wahr sein!«
    »So sieht es in der Realität aber leider aus. Mit Ende dreißig ist die Sache weitgehend gelaufen, jedenfalls für eine Frau. Früher hatte Katja kaum Probleme, Rollen, auch größere, zu erhalten – im Gegenteil. Zeitweise hatte sie mehr Angebote, als sie wahrnehmen konnte. Aber seit ein paar Jahren ist das vorbei. Sie musste sogar schon putzen gehen, um überhaupt Geld zu verdienen. Nicht, weil sie schlecht spielt – schauen Sie sich doch ihre Filme an. Mit vierzig gehören sie als Frau zum alten Eisen – das ist der Punkt.«
    Braig erinnerte sich, fast dieselben Worte von Frau Berg in Tübingen gehört zu haben. Mitte vierzig und zu alt für den Beruf?
    In ihm sträubte sich alles, das zu akzeptieren. Er dachte an seine eigene Situation. Seit sechs Monaten hatte er die Dreißiger hinter sich. Gehörte er jetzt zum alten Eisen?
    Draußen auf dem Flur hörte er Felsentretters lautes Schimpfen; er schaute zu seiner offenen Tür, hatte plötzlich wieder die Stimme seiner Gesprächspartnerin am Ohr.
    »Es tut mir Leid, aber ich bin sehr müde. Ich konnte heute Nacht kaum schlafen, weil ich bei meiner kranken Mutter war. Würde es Ihnen etwas ausmachen, in zwei oder drei Stunden noch einmal anzurufen? Ich gleite heute, bin den ganzen Tag hier. Wir können uns dann gerne ausführlich über Katja unterhalten.«
    In der Leitung knackte es; Braig fürchtete schon, sie habe direkt mit dem Ende ihrer Worte aufgelegt, versuchte es trotzdem. »Eine Frage noch, obwohl ich nicht weiß, ob Sie sie beantworten können: Kennen Sie zufällig einen Herbert Bauer?«
    Er hörte das tiefe Luftholen am anderen Ende, erwartete eine Woge übler Beschimpfungen, weil er so hartnäckig war, hatte stattdessen plötzlich ein Lachen am Ohr.
    »Ja, ich kenne Herbert Bauer«, sagte Susanne Braun, »und zwar besser, als Sie glauben.«
    »Sie kennen ihn?«, rief Braig völlig überrascht. Er hatte nicht mehr damit gerechnet, dass das Gespräch noch eine solche Wendung nehmen könnte. »Wissen Sie, wo er sich zur Zeit aufhält?«
    »Mein Gott, sind Sie hartnäckig! Herbert Bauer! Nein, ich weiß nicht, wo er sich aufhält. Was wollen Sie? Fotos?«
    »Sie haben Fotos von ihm?«
    »Nicht nur das. Ich kann Ihnen sogar ein Video anbieten.«
    Braig spürte die Unruhe in seinen Beinen, seinem ganzen Leib, sprang von seinem Stuhl auf. »Wo ist das Video? Sie haben es selbst?«
    Die Frau blieb ruhig. »Hier bei mir im Schrank. Bei den anderen Filmen«, erklärte sie.
    »Wie alt ist es?«, rief er. »Ich meine, das Video und die Fotos, wann wurden sie aufgenommen?«
    »Letztes Jahr, glaube ich. Was spielt das für eine Rolle?«
    »Wir brauchen das Video. Und die Fotos. So schnell wie möglich, verstehen Sie?«
    Susanne Braun gähnte laut. »Nein, das verstehe ich nicht, aber das muss ja auch nicht sein. Hauptsache, Sie wissen, was Sie tun.«
    Braig ging nicht auf ihren Einwand ein. »Wie kommen wir am schnellsten an Ihre Aufnahmen?«
    »Wie wohl?«, maulte die Frau. »Sie kommen vorbei und holen sie sich ab. Oder glauben Sie, ich habe Lust, zu Ihnen zu fahren?« Sie gähnte wieder. »Außerdem bin ich wirklich todmüde. Ich schlage vor, Sie gehen jetzt zum Bahnhof und nehmen den nächsten Zug nach Köln. Bis Sie hier sind, habe ich etwas geschlafen und bin wieder fit. Und dann erzähle ich Ihnen alles, was Sie nur wollen, über Katja und Herbert und gebe Ihnen die Bilder und das Video mit.«
    Er wollte ihr widersprechen, sie bitten, doch noch einmal über den Aufenthaltsort Herbert Bauers nachzudenken, merkte aber plötzlich, dass die Leitung tot war. Sie hatte aufgelegt.
    Braig drückte die Wahlwiederholungstaste.
    Besetzt. Sie hatte den Hörer neben den Apparat gelegt.

29. Kapitel
    Kurz nach elf stand Braig vor der Wohnung Susanne Brauns in Köln. Er hatte nicht im Traum damit gerechnet, dass die Fahrt so schnell gehen würde, war von vier bis fünf Stunden ausgegangen, hatte zuerst geglaubt, der Ausdruck aus dem Internet sei falsch. Zwei Stunden und zehn Minuten bis Köln, alle fünfzehn Minuten ein Zug? Erst als ihm der Beamte am Telefon den Sachverhalt bestätigt hatte, war er zum Bahnhof aufgebrochen.
    Susanne

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