Schwaben-Angst
der Schulter, versuchte sie zu beruhigen, obwohl er kein Jota anders fühlte. Irgendwie würden Bayer und Konsorten es schaffen, das entstellte Gesicht eines oder gar beider Ermordeten zu fotografieren und es, millionenfach mit einem scheinheiligen Kommentar versehen, inmitten all des übrigen Mülls, den sie ständig zum Besten gaben, präsentieren. Am Schluss waren die immer die Gewinner!
Braig lief zu Busch, trichterte dem Polizeiobermeister ein, keine Unbefugten in die Kirche zu lassen, folgte den Bahrenträgern ins Innere und bat sie, sich vor zudringlichen Fotografen in Acht zu nehmen.
»Hat dieser Streit jetzt sein müsse?«, rief eine Frau, als er sich gemeinsam mit Neundorf durch die Menschenmenge drängte.
Braig hob gereizt den Kopf: »Ja, hat er!! Sind wir vielleicht Schuld?« blaffte er zurück.
Er hörte das Aufbrausen eines Motors, sah einen dunklen BMW davonjagen, erkannte Bayers Umrisse hinter dem Steuer.
»Woher weiß dieser Kerl schon wieder Bescheid?«
Neundorfs Antwort kam sofort. »Irgendeiner unserer Kollegen hat sich sein Gehalt aufgebessert.«
Braig lief missmutig zu seinem Dienstwagen, öffnete die Tür.
»Vielleicht kann uns Hemmers Witwe weiterhelfen«, sagte Neundorf, als sie neben ihm Platz nahm, »ich hoffe nur, dass die Frau nicht in Ohnmacht fällt, wenn sie vom plötzlichen Tod ihres Mannes erfährt.«
11. Kapitel
Das von seiner Fassade her etwas angestaubt wirkende Zweifamilienhaus der Hemmers lag am Rand der Marbacher Altstadt, gleich jenseits vom Bahnhof. Braig und Neundorf läuteten an der neben der niedrigen Holzpforte angebrachten Glocke, betrachteten den Vorgarten, der von Astern und Dahlien in allen Farben überquoll. Große, rote Blüten wechselten mit violetten Büschen, vor der Hauswand streckten sich weiße, blaue und dunkelrote Exemplare in die Höhe, allerdings fast alle vom Regen der vergangenen Wochen in Mitleidenschaft gezogen.
Die Frau öffnete die Tür, empfing sie mit strengem Blick. Sie trug ein langes, dunkelgrünes Kleid aus festem Stoff, dazu eine beige Weste, hatte die Haare zu einem festen Knoten auf den Hinterkopf gesteckt.
Braig zog seinen Ausweis aus der Tasche, streckte ihn über die Pforte. »Frau Hemmer?«
Sie betrachtete sie misstrauisch, erst ihre Gesichter, dann den Ausweis, sagte kein Wort. Zwei große, rote Katzen näherten sich von innen, strichen ihr rechts und links um die Beine, blieben abwartend vor ihnen stehen.
»Frau Hemmer, wir sind vom Landeskriminalamt«, erklärte Braig mit kräftiger Stimme, um die Frau aus ihrer Lethargie zu reißen, »das ist meine Kollegin Neundorf, mein Name ist Braig. Dürfen wir Sie für einen Moment sprechen?«
Statt einer Antwort miaute eine der Katzen, laut und kräftig, dem geübten Spiel einer Violinistin ähnlich. Sie legte sich auf den von der Sonne erwärmten Fußabstreifer, direkt vor die Füße ihrer Herrin, dehnte voll sichtbarem Wohlbehagen die linke Vorderpfote und legte sie auf den Schuh der Frau. Das andere Tier verfolgte neugierig ihr Verhalten, blieb unentschlossen daneben stehen.
»Was wollen Sie?«, fragte die Frau.
Braig wandte seinen Blick von den Katzen hoch zu ihrer Gesprächspartnerin. »Können wir vielleicht ins Haus?«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Das geht jetzt nicht.«
Der Kommissar schaute seine Kollegin ungläubig an, zuckte mit der Schulter. »Besser wäre es schon«, meinte er, »wenn wir uns drinnen unterhalten könnten.«
»Heute nicht«, erklärte sie rigoros.
Die Katze legte sich auf den Rücken, streckte alle vier Pfoten von sich, räkelte sich hin und her.
»Na, denn«, brummte Neundorf ärgerlich, »bringen wir es hinter uns. Frau Hemmer, es geht um Ihren Mann.«
»Meinen Mann? Ich habe keinen Mann.«
Die zweite Katze versuchte, es der anderen gleich zu tun, warf sich ebenfalls auf den Boden. Sie streckte ihre Pfoten von sich, räkelte sich wohlig hin und her.
Braig riss seinen Blick von den beiden Tieren weg, starrte die Frau überrascht an. »Bernhard Hemmer ist nicht Ihr Mann?«
»Das ist lange vorbei.«
Er überlegte, was ihre Antwort zu bedeuten habe, sah Neundorfs skeptischen Blick.
»Wie sollen wir das verstehen?«, fragte diese.
Die zweite Katze drückte sich immer weiter auf den Fußabstreifer vor, versuchte die andere zur Seite zu drängen.
»Was wollen Sie?«, brummte die Frau.
»Ihr – ehemaliger – Mann Bernhard! Sind Sie geschieden?«
»So gut wie.«
»Er lebt nicht mehr hier bei Ihnen?«
Frau Hemmer schüttelte den
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