Schwaben-Angst
»Du warst im ›Fräulein Pollinger‹?«
»Was ist daran so außergewöhnlich? Na gut, die Karten waren schwer zu bekommen, das lief über einen Bekannten, schon vor mehreren Monaten …«
Braigs Überraschung stand immer noch in seinem Gesicht. »Wie waren die Schauspieler?«, fragte er dann, als er sich wieder gefangen hatte.
»Exzellent. Vor allem die junge Gilbner, die das Fräulein Pollinger spielte. Das Stück ist ihr auf den Leib geschrieben.«
»So kann man sich täuschen«, meinte er, »Bernhard, ich hätten wetten können, dass die Premiere zum Reinfall wird.« Er berichtete ihr von Monique Gilbners Nervosität, zeigte auf den Toten vor der Kanzel. »Er sah auch nicht besser aus als der.«
Neundorf lief zu dem Arzt, grüßte ihn und die Techniker, warf einen kurzen Blick auf die Leiche Hemmers. »Ich habe ihn mir vorhin schon angesehen«, sagte sie, »Frau Gilbner kann ich nur bewundern, wie souverän sie den Schock überspielte.« Sie schüttelte den Kopf, wandte sich von dem Toten ab. »Und in Rotenberg dasselbe?«
»Haargenau. Offensichtlich derselbe Täter. Oder besser: Täterin.« Braig berichtete ihr von seinem Verdacht, erklärte minutiös, was für und gegen Marion Böhler sprach.
»Wir müssen auf jeden Fall versuchen, eine Verbindung zu finden«, meinte Neundorf, »den Punkt, den die beiden Toten gemeinsam haben. Gleichgültig, ob jetzt alles für oder gegen diese Böhler spricht.«
Braig stimmte ihr zu. »Du hast mit dem Pfarrer und der Messnerin geredet?«
»Die Messnerin ist in Urlaub«, erwiderte sie. »Kurzurlaub, seit gestern. Sie hatten vergessen, es mir zu sagen. Die Pfarrerin und ihr Mann waren umso auskunftsfreudiger. Sie luden mich zum Kaffee ein, obwohl sie völlig aufgelöst waren. Ein Toter in ihrer Kirche!«
»Haben sie etwas beobachtet?«
»Nichts, leider überhaupt nichts. Sie waren gestern den ganzen Mittag weg, bis spät am Abend, die ganze Familie. Als Zeugen oder auch nur zufällige Beobachter fallen sie leider aus.«
»Das ist Pech. Wenn die Messnerin gestern noch da war, könnte sie ja auch … Jedenfalls müssen wir uns an die Presse wenden, ob zufällig jemand beobachtet wurde, der gestern Nachmittag oder Abend die Kirche betrat. Vielleicht von einem der vorbeifahrenden Autos aus …«
»Haben wir schon den genauen Todeszeitpunkt?«
»Noch nicht. Irgendwann gegen Abend.«
»Dann sollten wir noch die Ergebnisse des Pathologen abwarten.«
Braig nickte, erkundigte sich nach der Familie des Toten. »Die Pfarrer kennen sie?«
»Leider nicht. Hemmer kam durch die Vermittlung eines Kirchengemeinderates hierher. Der wohnt im Ort, kennt seine Adresse. Die Pfarrerin gab mir seine Telefonnummer.«
»Rufst du ihn bitte an? Wir müssen Hemmers Familie verständigen.«
Wenige Schritte weiter erhob sich Dr. Schweisser, sammelte seine Instrumente ein, packte sie in seine Tasche. Er warf einen letzten Blick auf den Toten, wandte sich dann an Braig.
»Ich bin fertig. Meinen Bericht erhalten Sie heute Mittag. Ich werde mich beeilen. Geben Sie mir bitte Ihre Fax-Nummer?«
Braig überreichte ihm seine Karte, bedankte sich für seine Arbeit.
»Ich wünsche Ihnen viel Erfolg«, sagte der Arzt, zeigte auf Hemmers Leiche, »hoffentlich erwischen Sie den bald, der dafür verantwortlich ist. Der darf nicht länger frei herumlaufen. Blausäure bringt einen grauenvollen Tod.« Er klopfte Braig auf die Schulter, verabschiedete sich von den Technikern und von Neundorf.
»Der Transport in die Pathologie ist bestellt?«, fragte die Kommissarin.
Der Arzt nickte. »Die müssten bald hier sein.« Er folgte dem Mittelgang, öffnete das Portal. Von draußen waren immer noch kräftige Stimmen zu hören. Entnervt starrte Braig zur Tür.
»Ich habe Hemmers Adresse. Er wohnte in Marbach, hat Frau und Tochter. Die soll aber schon erwachsen sein, meinte der Mann.«
»Wurde die Familie informiert?«
Neundorf schüttelte den Kopf. »Der Kirchengemeinderat kannte nur ihn. Außerdem wusste er nicht genau, was hier geschehen ist. Ein Toter in der Kirche, fragte er mich, stimmt das? Die haben offenbar überraschend dicht gehalten.«
»Dann sollten wir jetzt zu Hemmers Familie. Du kommst mit?«, bat Braig.
Sie zeigte sich sofort einverstanden, beauftragte Rössle und Hutzenlaub, sich um den Abtransport der Leiche und die weitere Untersuchung der Kirche zu kümmern.
»Der Abdruck Größe siebenunddreißig, achtunddreißig ist eindeutig belegt?«
»Alle Idiote von Sindelfinge, wie oft soll i
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