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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Kopf.
    »Wir müssen es Ihnen dennoch sagen. Ihr Mann ist tot.«
    Sie zuckte nur kurz zusammen, zeigte sonst keine Reaktion.
    »Er wurde ermordet«, erklärte Braig, »gestern Abend.« Er behielt ihr Gesicht fest im Blick, sah, dass sich ihre Miene kaum veränderte. Entweder sie sich verteufelt gut im Griff oder es gab wirklich keinerlei emotionale Verbindung mehr zwischen den beiden ehemaligen Partnern.
    »Warum erzählen Sie mir das?« Keine Betroffenheit, nicht der Hauch einer Gefühlsregung waren zu erkennen, keine Trauer, nicht einmal eine Spur von Verbitterung über eine jetzt endgültig beendete, offensichtlich schon längst gescheiterte Beziehung zweier Menschen. Stattdessen versteinerte Teilnahmslosigkeit.
    Braig lief es kalt über den Rücken. Dies war der letzte Rückblick auf ein einstmals gemeinsames, zumindest in seinen Anfängen doch wohl glückliches Leben?
    »Habe ich richtig verstanden, dass Sie noch nicht rechtskräftig geschieden sind?«
    »Ich wollte ihn nicht mehr sehen. Das ist der Grund.«
    Vielleicht sagte sie wirklich die Wahrheit. Eine Scheidung hätte sie, soweit Braig informiert war, vor Gericht aufeinandertreffen lassen, jedenfalls für die wenigen Minuten der Verhandlung.
    »Sie haben also keinerlei Kontakt mehr zu Ihrem Mann?«
    Frau Hemmer schüttelte nicht einmal mehr den Kopf. Die zweite Katze hatte die erste inzwischen vollständig vom warmen Fußabstreifer verdrängt, wurde plötzlich mit einem heftigen Fauchen und kräftigen Schlägen von ihrer Kollegin attackiert.
    »Wo lebte er zuletzt?«
    Die Frau beugte sich nieder, nahm beide Katzen der Reihe nach in ihre breiten Arme. Wärme und Zuneigung überfluteten ihr Gesicht. Sie wog die Tiere hin und her, drückte ihren Kopf ins wollig-weiche Fell. Ihre Liebe hatte neue, vielleicht dankbarere Partner gefunden.
    »Gehen Sie zu seiner Schlampe«, erklärte sie unvermittelt, ihr Gesicht im Fell einer der Katzen verborgen, »sagen Sie es ihr, damit sie eine trauernde Witwe finden.« Die Tiere hielten beide still, schienen die Liebkosung zu genießen.
    »Haben Sie den Namen und die Adresse?«
    »Fragen Sie meine Tochter.« Sie wies ins Innere des Hauses, drehte sich um, die Katzen immer noch im Arm. »Regine!«
    Irgendwo aus dem Obergeschoss meldete sich eine schwache, verschlafen klingende Stimme. Die Frau schlurfte einen Meter zurück, ließ dann beide Tiere auf den Boden nieder, schaute nach oben. »Die Adresse von Hemmer.«
    Braig und Neundorf verstanden die Antwort erst, als die Frau sie wiederholte.
    »In Asperg.« Sie nannte den Namen und die Straße, fügte die Hausnummer hinzu.
    »Ihre Tochter«, sagte Neundorf, »können wir mit ihr reden?«
    Julia Hemmer schüttelte den Kopf. »Erst wenn sie ausgeschlafen hat.«
    Braig schaute auf seine Uhr, sah, dass es kurz nach eins war. Der Moment des ersten Erwachens nach einer ausgiebigen Disco- oder Kneipentour in der Nacht von Samstag auf Sonntag, überlegte er. Er hatte keine Lust, sich mit der Frau anzulegen, gab klein bei. »Wir melden uns wieder.«
    Sie schenkte ihnen keinen Blick, schloss die Tür.
    »Was bringt einen Eisberg zum Schmelzen?«, fragte Neundorf.
    In diesem Moment fiel Braig ein, was er noch hatte fragen wollen. Er klopfte Neundorf leicht auf die Schulter, wies aufs Haus, drückte erneut auf die Glocke. Zweimal, dreimal, viermal. Er hielt den Daumen auf dem Knopf, bis die Frau endlich öffnete. Sie starrte ohne Regung zu ihnen her.
    »Kennen Sie eine Familie Böhler?«
    Der Eisberg bewegte sich. »Wieso?«
    »Marion und Konrad Böhler aus Rotenberg.« Sie musste von dem Mord in der Zeitung gelesen haben, musste über das Schicksal des Mannes aus den Medien Bescheid wissen, schließlich war es seit mehr als vierundzwanzig Stunden publik.
    »Marion?« antwortete die Frau, »natürlich kenne ich Marion.«
    »Marion Böhler aus Stuttgart-Rotenberg?«, schnappte Braig.
    Julia Hemmer nickte mit dem Kopf, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt.

12. Kapitel
    Diesmal ließ er sich nicht wieder wie ein kleiner, hilfloser Junge abwimmeln. Braig öffnete ohne zu fragen die kleine Pforte, stieg die drei Stufen zur Haustür hoch, baute sich unmittelbar vor der ihn mit verdutzten Augen verfolgenden Frau auf. Er schob einen Fuß ins Innere des Hauses, blockierte die Tür. »Das müssen Sie mir genauer erzählen«, forderte er sie auf.
    Julia Hemmer trat einen Schritt zurück, als wolle sie sich vor ihm in Sicherheit bringen. »Was soll ich erzählen?«, brummte sie. Die

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