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Schwaben-Angst

Schwaben-Angst

Titel: Schwaben-Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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des no wiederhole?«, schimpfte Rössle. »Eindeutig, ja. Mitten auf dem kleinen Teppich vor dem Altar.«
    »Dann müsst ihr ihn mit dem Profil von Rotenberg vergleichen. Vielleicht sind sie tatsächlich identisch.«
    »Wird gemacht, keine Angst.«
    Braig und Neundorf verließen die Kirche in dem Moment, als der Wagen zur Leichenüberführung eintraf. Das aufgeregte Geschnatter der dicht gedrängt versammelten Menschen erstarb für einen Moment, um dann, als die beiden Männer ausstiegen und die Ladefläche öffneten, umso heftiger wieder aufzuleben.
    Sie schoben die Bahre aus dem Auto, trugen sie die Treppen hoch. Die kleine, dünne Gestalt, die den Arbeitern unmittelbar folgte, bemerkte Braig erst, als diese gerade im Begriff waren, das Portal zu öffnen und ins Innere der Kirche zu treten. Der Mann trug eine unauffällige, dunkelgrüne Sportjacke, dazu schwarze Jeans und helle Slipper, hielt den Blick starr vor sich auf den Boden gesenkt. Er versuchte, im Windschatten der kräftigen Gestalten vor ihm in die Kirche zu gelangen.
    Braig blieb abrupt stehen, rannte zurück, kümmerte sich nicht um die überraschten Blicke der Leute. Er spurtete die Stufen hoch, packte den Mann an seiner Jacke. »Zutritt verboten«, keuchte er, »die Untersuchung ist noch nicht beendet.«
    Der Angegriffene wand sich aus seiner Umklammerung, hatte den ersten Fuß schon in der Kirche. Unruhe kam auf.
    »Was soll das?«, rief eine Frau, unmittelbar vor Braig. Er hatte Mühe, den Mann festzuhalten.
    Die Leute unterhalb der Treppe starrten aufgeregt hoch, verstanden nicht, was sich dort abspielte.
    »Keine Gewalt«, rief eine andere Frau, »nicht vor unserer Kirche!«
    Mehrere Menschen begannen zu klatschen, schauten vorwurfsvoll zum Eingang des Gotteshauses. Braig keuchte vor Anstrengung, spürte die Wut in sich. Er war versucht, den Leuten einen Vogel zu zeigen: Er kannte den Mann, wusste, was der im Sinn führte. Bayer war einer der umtriebigsten Boulevardjournalisten der Region, berühmt-berüchtigt bei fast allen Beamten der Kriminalabteilungen. Allem, was sich in irgendeiner Form zu einer Schlagzeile aufbauschen ließ, hinterher wie der Teufel. Seinen Erfolgen nach zu urteilen, musste er stets auf der Lauer liegen und Polizeifunk abhören. Der Mann erschien Braig nämlich oft schon über bestimmte Verbrechen informiert, wenn er und seine Kollegen sich noch schwerfällig um die ersten Erkenntnisse bemühten. Bayer kannte jeden Trick, die aktuellen Tatorte nicht nur aufzuspüren, sondern auch auf den Film zu bannen. Offensichtlich hatte der Journalist auch heute wieder Blut geleckt, obwohl Braig sich nicht vorstellen konnte, wer ihm heute Morgen so schnell die nötigen Informationen hatte zukommen lassen.
    Erst als Neundorf dazu kam, ließ der Widerstand nach. »Gefahr im Vollzug«, kommentierte sie kurz, »am besten, wir sperren den Kerl weg. Da brauchen wir keinen Richter, das reicht bis morgen früh.«
    Sie nahmen ihn in die Mitte, zogen ihre Jacken zurecht.
    »Ich hoffe, Sie machen keine Dummheiten«, zischte er.
    Das Klatschen hatte aufgehört. Jede Bewegung vor dem Portal wurde von unzähligen Augenpaaren verfolgt.
    »Sie können mir nichts vormachen«, erklärte Bayer, »schon wieder ein Blausäure-Toter, was? Liebe Frau Kommissarin, lieber Herr Kommissar, das gibt Aufsehen, ob Sie mich jetzt reinlassen oder nicht. Wir kriegen die Bilder, garantiert. Warten Sie’s ab. Morgen sind sie auf der ersten Seite.«
    Braig hatte Mühe, an sich zu halten. Er erhaschte einen Blick auf Neundorfs Gesicht, erkannte an ihrer verbissenen Miene, dass es ihr nicht anders erging.
    »Der Geier findet immer sein Aas«, versuchte Bayer es weiter, ein hämisches Grinsen übers ganze Gesicht, »das wissen Sie doch. Sie können es nicht verhindern.« Er riss sich von seinen Bewachern los, stieg die Stufen hinab. »Wir kriegen das Bild, warten Sie ab!« Freundlich winkend schob er sich durch die dicht gedrängte Menschenmenge, verschwand um die Ecke.
    Braig starrte ihm wütend nach, wusste von früheren Ereignissen, wie machtlos sie ihm und seinen Helfershelfern gegenüber waren. Das üble Schmuddelblatt, das jeden Tag aufs Neue mit Dreck die widerlichsten Kammern der menschlichen Seele bediente, saß am Ende doch wieder am längeren Hebel. Irgendwie kamen sie fast immer zu dem, was sie wollten. Und war es noch so geschmacklos.
    »Ich könnte dem Schwein jeden Zahn einzeln zertrümmern«, knurrte Neundorf unmittelbar neben ihm.
    Er berührte sie sanft an

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