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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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musterte die wuchtige Gestalt Söderhofers, die sich in Braigs Schatten bewegte, warf dem Kommissar einen fragenden Blick zu.
    »Herr Staatsanwalt Söderhofer«, erklärte Braig.
    Hestler grüßte freundlich, wies auf die Doppelgarage an der Seite. »Ihre Spurensicherer sind schon bei der Arbeit.« Er ließ sie passieren, half beiden über die Fahrradständer hinweg, die hier nebeneinander aufgereiht waren.
    »Was sind jetzt des für zwoi?«, schallte es von oben.
    »Journaliste. Die erlaubet sich doch älles.«
    Überrascht schaute Braig in die Höhe. Ein runder, an seinem Sockel von einem Drahtzaun geschützter, etwa 20 Meter hoher, bewachsener Hügel erhob sich vor ihm, von einem doppelten Säulenring auf der Spitze gekrönt. Eine große Gruppe Schaulustiger drängte sich in und um das einem antiken griechischen Rundtempel nachgeahmte Bauwerk und gaffte zu ihnen herunter. Einige mit Fotoapparaten, andere mit Handys, mit denen sie das Geschehen unter sich ablichteten, einer sogar mit einem Fernglas.
    »Mein Gott, sind wir denn hier im Theater?«, schimpfte Braig. Er verfolgte das Treiben der Neugierigen in der Höhe, stolperte über eine in einen hellgrünen Plastiküberzug gehüllte Gestalt.
    Helmut Rössle, der sich gemeinsam mit seinem Kollegen Markus Schöffler auf dem Boden zu schaffen machte, schoss in die Höhe, stellte sich ihnen abwehrend, mit ausgestreckten Händen in den Weg. »Alle Idiote von Sindelfinge, Elefante hents net nötig, uff Spure zu achte, wie?«
    Braig blieb stehen, entschuldigte sich. Er wusste um die Sorge des Kollegen, durch unbedachtes Betreten des Umfelds der Leiche eventuell Spuren zu zerstören, hoffte, dass sich der Staatsanwalt ebenfalls an die notwendigen Spielregeln halten würde. Oft genug war es in den letzten Monaten zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Männern gekommen. Söderhofers Verhalten, manchmal tatsächlich mehr an das Bild eines Elefanten im Porzellanladen als an das eines ernsthaft um Aufklärung bemühten Ermittlers erinnernd, hatte den ohnehin nicht gerade zu diplomatischem Auftreten neigenden Spurensicherer mehrfach derart provoziert, dass dieser nicht länger an sich gehalten hatte, seine Aversionen gegen den Staatsanwalt unverblümt zum Ausdruck zu bringen. Zum Glück in ausgeprägtem Dialekt. Zwar hatte Rössle das an derben Formulierungen bekanntermaßen nicht gerade arme schwäbische Idiom bis weit unterhalb der Gürtellinie ausgeschöpft, doch war dem Ganzen durch den Gebrauch des Dialekts ein erheblicher Teil der Schärfe genommen worden. So sehr der Spurensicherer sich echauffiert hatte, das schwäbische Idiom hatte den Auseinandersetzungen fast einen Hauch von Volkstheater vermittelt – so jedenfalls hatte Braig es zeitweise empfunden.
    Heute allerdings schien es nicht notwendig, dass der Spurensicherer seine Dialektkenntnisse bemühte. Der Staatsanwalt verharrte steif und fast ohne jedes Anzeichen von Leben auf der Stelle und wies auf eine schmale, längliche Plane, die umrahmt von unzähligen Büscheln violett und samtig rot blühender Herbstastern und Dahlien mitten auf dem immer noch kräftig grünen Rasen lag. »Ist er … dort?«, stammelte er.
    Rössle musterte erstaunt die massige Gestalt Söderhofers. »Was isch los?«, fragte er irritiert. »Wird heut net evaluiert, investigiert, koitiert oder wenigschtens onaniert?«
    Der Staatsanwalt schien die Provokation überhaupt nicht wahrgenommen zu haben, zeigte jedenfalls keine Reaktion. Er starrte zu der Plane. »Wenn Sie vielleicht …«
    »Alle achtzig Deifel von Sindelfinge, isch ja scho gut, ja. Aber ihr bleibet stande, koin Schritt!« Rössle stakste auf Zehenspitzen zu der Plane, zog sie vorsichtig hoch.
    Im selben Moment scholl tumultartiger Lärm von der Spitze des Hügels.
    »Den Foto her! Die Leich isch zu sehe!!«
    »Was, die Dote?«
    »S’isch bloß oiner, du Säckel!«
    »Nur oiner? Wieso schwätzet die dann von zwoi?«
    »Was wois i? Glotz halt selber! Der sieht gut aus, besser als im Fernsehe!«
    Braig musste an sich halten, nicht loszubrüllen. Er versuchte, sich auf seine berufliche Aufgabe zu konzentrieren, wies mit einer Kopfbewegung in Söderhofers Richtung. »Er kennt ihn vielleicht.«
    »Alle achtzig Deifel von Sindelfinge, no isch älles klar«, brummte Rössle.
    Braig starrte an ihm vorbei auf den Boden, sah sich einer absurden, deplatziert wirkenden Szenerie gegenüber. Umringt von einem fast unübersehbaren Heer samtig rot und violett blühender

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