Schwaben-Filz
handelt.«
»Um
einen
?«, fragte Schöffler, das Wort besonders betonend.
Braig starrte auf die Zeichnung, begriff auf der Stelle, was der Spurensicherer andeutete.
Ich bin das zweite Schwein, das büßen muss! Die anderen folgen!
Er spürte das Blut hinter seinen Schläfen hämmern, hatte Mühe, sich geradezuhalten. Das zweite Opfer, überlegte er. Die anderen würden folgen! Ein leichter Schwindel machte ihm zu schaffen, ließ ihn einen Schritt zur Seite treten.
In was für eine Sache waren sie da geraten? Spielte da irgendjemand einen Streich mit ihnen?
»Wenn du mich fragst«, hörte er die Stimme Schöfflers, »mit meinen bescheidenen 15 Jahren Berufserfahrung: Ich würde die Sache ernst nehmen. Zwei Schweine und die anderen folgen. Das ist kein Witz mehr. Da ist einer dabei, auszurasten.«
Braig wusste nicht, was er dagegen einwenden sollte. So sehr er sich bemühte, Argumente gegen die Schlussfolgerung seines Kollegen zu finden, er blieb ohne Erfolg.
6. Kapitel
Natürlich war Neundorf im unmittelbaren Anschluss an das Gespräch mit Dr. Renck die Problematik bewusst, den Aussagen des Mannes einen substantiellen Hinweis auf den Mörder der in Götz Hellners Garten aufgefundenen Frau entnehmen zu wollen. Einer dermaßen von kleinbürgerlichen Vorurteilen verblendeten Person Glauben zu schenken, kam dem Offenbarungseid jedes Ermittlers nahe, Doktortitel hin oder her. Nach den Aussagen Dr. Schäfflers war der Tod mitten in der Nacht, spätestens gegen fünf Uhr eingetreten – was der alte Mann am frühen Morgen gesehen haben wollte, lag also am äußersten zeitlichen Rand, den der Gerichtsmediziner vorgegeben hatte. Vielleicht aber war Renck, falls man noch auf ihn hören wollte, nicht Zeuge des Verbrechens, sondern des Versuchs der Beseitigung von Spuren oder dem Transport der Leiche weg vom Tatort geworden. Dass die Unbekannte am Fundort getötet worden war, hielten die Spurensicherer ihren kurz nach zehn Uhr an diesem Morgen beendeten Untersuchungen des Außengeländes nach für kaum möglich; sie musste also irgendwann in der späten Nacht oder am frühen Morgen an der Fundstelle abgelegt worden sein. Von Hellner, nachdem er sie in der Nacht in seinem Haus ermordet hatte? War er von dem alten Mann zufällig dabei beobachtet worden, wie er sich der Leiche hatte entledigen wollen, oder wurzelte diese Behauptung komplett in Dr. Rencks dumpfen Vorurteilen?
Ausschließen konnte man das nicht, wusste die Kommissarin, auch wenn die Überlegung einen entscheidenden logischen Bruch beinhaltete: Wenn Hellner wirklich der Täter war, warum hatte er die Frau dann mitten im seinem Garten abgelegt, anstatt sie von seinem Grundstück zu schaffen? Weil er genau bei diesem Vorhaben von seinem Nachbarn ertappt worden war?
Neundorf wusste keine Antwort. Die Hoffnung, wenigstens etwas mehr Klarheit zu erlangen, war der einzige Grund, weswegen sie sich auf ein ausführliches Gespräch mit Dr. Renck eingelassen hatte.
»Der ist schwul, hat ständig irgendwelche Typen bei sich, auch jetzt wieder. Ich will nicht wissen, was die da alles treiben. Pfui Teufel! Zwei Schwule unter einem Dach. Das konnte nicht gutgehen, was soll ich da noch sagen?«
Sprachlos hatte sie seine Worte vernommen, sich dann wider alle Höflichkeit ohne ihre Tasse zu leeren kurz und knapp von dem Mann verabschiedet, um einem Erstickungsanfall vorzubeugen und frische Luft in ihre Lungen zu pumpen. Wer solche Nachbarn hatte, brauchte keine Feinde mehr. War die Zeit des Mittelalters, der Kreuzzüge, der Inquisition, der Hexenverbrennungen denn immer noch nicht passé?
Was sie unbedingt überprüfen musste, war die angebliche Anwesenheit eines anderen Mannes in Hellners Haus, gleichgültig, ob das mit der sexuellen Ausrichtung des Mannes zu tun hatte oder nicht. Falls die Person in dieser Nacht wirklich in dem Anwesen übernachtet hatte, kam er als Beobachter, genauso aber auch als potentieller Täter infrage. Ja, die Existenz eines weiteren Mannes in dem Haus eröffnete gar die Möglichkeit, dass dieser die Frau gemeinsam mit Hellner getötet hatte. Sie musste dem genauso nachgehen wie den angeblichen Aktivitäten des Verdächtigen im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um
Stuttgart 21
, allen Vorurteilen Rencks zum Trotz. Der Mann hatte diese zwar abgestritten, doch was bedeutete das schon? Das scheußliche T-Shirt der Toten in Erinnerung, durfte sie keinen auch noch so abwegigen Verdacht von vornherein ausschließen.
Mit großen Schritten war
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