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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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waren?«
    »Ja, natürlich.«
    »Es kann auf keinen Fall etwas früher gewesen sein?«
    »Wie – früher?« Der Mann streckte seinen Kopf nach vorne, legte seine Stirn in Falten. »Sie meinen, ich hätte mich mit der Zeit vertan?« Er hob beide Hände in die Höhe. »Also gut, auf die Minute kann ich es Ihnen natürlich nicht sagen. Ob kurz nach fünf oder wenige Minuten früher – zugegeben, vielleicht habe ich mich um ein paar Minuten vertan, das will ich nicht abstreiten. Ich lief auf jeden Fall so schnell als möglich nach Hause und rief bei Ihnen oder Ihren Kollegen an, um sie zu benachrichtigen, was ich gerade gesehen hatte.«
    »Warum sind Sie der Frau nicht zu Hilfe geeilt?«
    Dr. Renck sprang aus dem Sessel, baute sich kerzengerade vor der Kommissarin auf. »Ich?« Er schnappte nach Luft, hatte Mühe, die Zumutung ihrer Anfrage zu verdauen.
    »Sie hörten die Frau röcheln. ›Klar und deutlich‹, haben Sie erzählt. Warum haben Sie ihr nicht geholfen? Sie hätten ihren Tod verhindern können, wenn ich Ihre Aussage richtig verstehe.«
    Der Mann starrte ihr mit vor Schreck verzerrter Miene ins Gesicht, kämpfte um Luft. Erst nach mehreren vergeblichen Anläufen fand er wieder zur Sprache. »Aber, aber, dieser Kerl, dieser gemeingefährliche Kerl …«
    »Hellner?« Neundorf blieb ruhig, griff nach der Tasse, trank von dem starken Gebräu.
    »Der, der…«
    Sie sah keinen Anlass Renck zu helfen, stattdessen versuchte sie, ihn durch ihr Schweigen zusätzlich zu provozieren. Vielleicht gelang es ihr, dem Mann auf diese Weise Informationen über Hellner zu entlocken, die ihr sonst kaum zugänglich waren. Schließlich wohnte er nach eigener Aussage schon sein ganzes Leben hier in der unmittelbaren Nachbarschaft des Verdächtigen …
    »Aber Sie können doch nicht mich beschuldigen«, platzte es aus ihrem Gastgeber heraus, »dieser Schwule ist der Täter, doch nicht ich. Hellner, ich habe es genau gesehen, dieser ekelhafte Kerl hat die Frau ermordet, genau wie damals schon seinen eigenen Vater. Sie können die Sache doch nicht einfach verdrehen und jetzt mir die Schuld zuschieben! Soll diese widerliche Person mit ihrem unmoralischen Lebenswandel schon wieder ungestraft davonkommen? Schauen Sie sich doch die Bruchbude an, in der er haust, dieses vergammelte Loch! Ein Schandfleck für unser ganzes Stadtviertel. Seit Jahren versuchen alle Nachbarn, ihn dazu zu bewegen, seine Ruine abzureißen und einem modernen, repräsentativen Gebäude Platz zu machen – nichts passiert! Der ist nicht einmal bereit, seine Fassade zu renovieren. Bach, sein Nachbar, Sie haben das Haus garantiert gesehen, es steht gleich neben Hellners Bruchbude, will ihm sein Grundstück schon lange abkaufen, alles abreißen und dann völlig neu bebauen. Der Mann ist Bauunternehmer, also vom Fach, aber der Schwule gibt nicht nach. Für Bach allein lohnt es sich nicht, neu zu bauen, seine Parzelle ist zu klein. Gemeinsam, das wäre genau das Richtige. Ein moderner Komplex mit Eigentumswohnungen etwa. Bach hat ihm zum Ausgleich für sein Grundstück mehrere neue Wohnungen angeboten – nichts. Der reagiert einfach nicht. Vor lauter Verzweiflung hat Bach jetzt sein altes Haus frisch herrichten lassen, wenigstens die Fassade. Der hat die Hoffnung aufgegeben, dass der schwule Sturkopf doch noch nachgibt. Dabei hat sich Hellner das Grundstück ja nicht einmal erarbeiten müssen. Der hat sich das schenken lassen, ach, was sage ich, durch Betrug erschlichen!«
    »Durch Betrug erschlichen?«
    Dr. Renck winkte mit seiner Rechten ab. »Seine alte Großtante. Die hat es ihm vererbt«, erklärte er. »Aus Mitleid über sein schlimmes Schicksal.«
    Neundorf blieb ruhig, wartete auf weitere Erklärungen.
    »Seine Kindheit – sie soll ja so schrecklich gewesen sein. Der Vater ein gewalttätiger Kerl, der Frau und Sohn ständig verprügelt haben soll, meistens ohne Arbeit, dafür ohne Unterbrechung besoffen. Wer’s glaubt … In Leonberg sei er aufgewachsen, niemand weiß Genaueres. Wahrscheinlich wurde der Alte verrückt, als er bemerkte, dass sein Nachwuchs schwul war. Jedenfalls kam es zum Streit, und er schlug seinen Vater tot. Jähzornig und gewalttätig, wie er nun mal ist.«
    »Laut Gerichtsurteil soll es aber die Mutter gewesen sein.«
    »Die Mutter?« Dr. Renck ließ ein hysterisch klingendes Lachen hören. »Haben Sie die damals gesehen? Die konnte doch keiner Fliege was antun, diese halbe Portion! Ein ausgemergeltes altes Weib. Wog bei ihrem Tod keine

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