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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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unmoralische Existenz ich sei und so. Da ist er bei solchen Schnüfflern wie Ihnen ja genau an der richtigen Adresse.«
    »Ihr Privatleben interessiert mich nicht, das habe ich doch deutlich zum Ausdruck gebracht.«
    »Hier ist kein Platz für Schwule. Hier leben nur ordentliche Menschen«, äffte Hellner den Nachbarn nach. »Solche zum Beispiel, die mit 80 oder 82 Jahren die Nacht mit einer jungen Frau verbringen, die gut und gerne ihre Enkelin sein könnte.«
    »Sie sprechen von Renck?«
    Ihr Gesprächspartner ließ ein verächtliches Zischen hören. »Was glauben Sie, weshalb der so früh unterwegs war?«
    »Frühsport, um sich fit zu halten«, warf sie ein.
    »Frühsport? So lässt sich das nennen, ja.« Er klopfte mit der Faust an die Wand. »Mich geht es nichts an, aber fragen Sie doch einen Nachbarn. Renck treibt in der Tat seinen Frühsport, Viagra macht’s möglich. Der vögelt mit der jungen Schmitt, dort ein paar Häuser weiter, die ist gerade 28. Seit sie von ihrem Mann verlassen wurde, ist sie auf jeden Cent angewiesen. Sie hat ein krankes Kind, kann nicht arbeiten. Renck hat Geld zu fressen, der hilft seiner jungen Nachbarin gern. Und morgens schleicht er sich dann nach Hause, damit es niemand mitbekommt, wo er die Nacht verbracht hat. Dabei wissen es alle. Die ganze Nachbarschaft ist informiert. Zwei-, dreimal die Woche treibt der es mit ihr, Viagra sei Dank.«
    »Wenn es beiden hilft.« Neundorf versuchte, sich wieder auf ihr Anliegen zu konzentrieren. »Der Mann, der bei Ihnen wohnt.« Sie deutete zu dem rückwärtigen Raum. »Kann ich mit ihm reden?«
    Hellner ließ ein lautes Seufzen hören. »Sie geben keine Ruhe, was?«
    »Ich denke, ich handle in Ihrem Interesse, oder nicht?«
    »Er ist bei einer wichtigen Besprechung. Keine Ahnung, ob er gerade Zeit hat.«
    »Wie, bei einer Besprechung? Er ist nicht hier?«
    »Nein, er ist nicht hier. Verstehen Sie kein Deutsch?«
    »Wann hat er Ihr Haus verlassen? Meine Kollegen sind doch schon den ganzen Morgen anwesend.«
    »Was soll das jetzt?«, maulte ihr Gesprächspartner. »Wollen Sie die totale Überwachung einführen? George Orwell, ja? Er ging, kurz bevor die ersten …« Er zögerte, hatte wohl schon das Wort »Bullen« auf den Lippen, überlegte es sich dann doch anders. »Kurz bevor die Ersten von Ihnen aufkreuzten, ja.«
    »Was für ein Zufall«, sagte sie. »Eine Besprechung frühmorgens um sechs. Minuten, bevor die Polizei erscheint.« Der Mann scheute vor nichts zurück. So dreist war sie schon lange nicht mehr belogen worden. Offensichtlich hatte er fest damit gerechnet, dass ihr die Anwesenheit seines Besuchers verborgen bleiben würde. Jetzt, wo diese Absicht nicht in Erfüllung gegangen war, hatte er zu einer Notlüge greifen müssen. Einer Notlüge, die so plump war, dass sie keine Sekunde Bestand hatte. Somit war das Gespräch mit Renck, so abstoßend sie den bornierten Nachbarn empfunden hatte, dennoch nicht ohne Resultat geblieben. Dem Alten schließlich war es zu verdanken, dass sie dem Mann auf die Spur gekommen war, der nichts Eiligeres zu tun gehabt hatte, als sich vor dem Auftauchen der ersten Polizeibeamten vom Fundort der Leiche davonzuschleichen. Blockwartmentalität hin oder her – manchmal waren selbst dieser unsympathischen Lebensart erfreuliche Konsequenzen zu verdanken.
    Sie musterte Hellners verbissen wirkende Miene, nahm ihn voll ins Visier. »Name und Adresse des Mannes, dazu sein derzeitiger Aufenthaltsort. Sie haben genau eine Minute, sonst lasse ich Sie festnehmen.«

7. Kapitel
    Ruhig bleiben, emotionale Aufwallungen möglichst weit zur Seite schieben, nur nicht die Nerven verlieren.
    Braig wusste nur allzu gut, wie wichtig es war, diese Leitsätze im Auge zu behalten, türmten sich seine beruflichen Aufgaben doch wie ein weit in den Himmel ragendes, gewaltiges Gebirge vor ihm auf.
    Ich bin das zweite Schwein, das büßen muss. Die anderen folgen
.
    Braig erinnerte sich an den Moment, als Söderhofer, wenige Schritte neben ihm stehend, das Blatt mit dem aufgemalten Schwein und den beiden Sätzen zu Gesicht bekommen hatte. Die Physiognomie des Mannes hatte genau gespiegelt, was in ihm vorgegangen war: ungläubige Kenntnisnahme gepaart mit dem Versuch, das Papier als Pamphlet eines Verrückten abzutun; zögernd einsetzende Überlegung, dass die Angelegenheit möglicherweise doch ernsterer Natur sein könnte; immer stärker anwachsende Befürchtung, dass das Schreiben tatsächlich vom Mörder stammte.
    Minutenlang

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