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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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sie und nannte ihren Namen. »Sie wohnen hier neben Herrn Hellner?«
    Bach nickte, deutete auf das Haus hinter ihm, das aufgrund seiner Größe und der Farbgebung seiner Fassade so auffallend aus der Umgebung stach. Die Büsche und Bäume des Vorgartens zeigten sich zwar über und über von herbstlich buntem Rot, Gelb und Braun geprägt, keine dieser Farben fiel jedoch dermaßen ins Auge wie das grelle Gelb der Mauern dahinter. Von der Größe her ähnelte das Haus dem seines unmittelbaren Nachbarn; eineinhalb Stockwerke unter einem spitzgieblig zulaufenden Dach, kleiner Grundriss, ein schmaler, betonierter Vorplatz. Ein typisches Bauwerk der Fünfziger oder Sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, überlegte die Kommissarin, der pure Anachronismus im Vergleich mit den Eigentumswohnungsbunkern der Umgebung.
    »Sie wissen, weshalb wir hier sind?«
    »Die Leiche, die gefunden wurde, nehme ich an. Die Leute hier haben kein anderes Thema mehr.« Er deutete zur Straße.
    »Sie waren heute Nacht zu Hause?«
    Neundorf musterte die Miene des Mannes, nahm dessen Kopfnicken wahr. Er schien Mitte vierzig, von mittelgroßer, kräftiger Statur, zeigte eine gesunde, leicht gebräunte Gesichtsfarbe wie ein Mensch, der viel an der frischen Luft war. Trotz der immer noch recht kühlen Temperaturen hatte er die Ärmel seiner Arbeitsjacke hochgekrempelt, kräftige Arme präsentierend. Er blickte ihr erwartungsvoll entgegen, schien auf weitere Fragen zu warten. Ein kontaktfreudiger, jovialer Mensch, überlegte sie.
    »Ihre Familie war ebenfalls zu Hause?«, fragte Neundorf.
    »Meine Familie?« Bach winkte mit seiner Rechten ab. »Wir leben getrennt. Meine Frau ist …« Er ließ ein kurzes, abfälliges Pfeifen hören.
    »Was haben Sie mitbekommen heute Nacht?« Neundorf bemerkte, wie ihr Gegenüber erschrocken zurückzuckte, dann mit energischem Kopfschütteln reagierte.
    »Ich? Überhaupt nichts.«
    »Sie haben nicht aus dem Fenster geschaut?«
    »Wieso sollte ich?«
    »Weil Sie seltsame Geräusche gehört haben, zum Beispiel.«
    Bach hob erneut seine rechte Hand in die Höhe, lachte. »Sie müssen entschuldigen, aber ich habe meistens einen gesunden Schlaf.« Er schüttelte den Kopf, wich ihrem Blick nicht aus.
    »Schade«, erklärte sie. »Wir können jeden Hinweis brauchen.«
    »Haben Sie die schon gefragt?« Der Mann wies auf das etwa 15 Meter entfernt aufragende mehrstöckige Wohngebäude. »Vielleicht hat dort jemand zufällig …«
    Neundorf nickte. »Wir sind dabei.« Vor ihrem Gespräch mit Dr. Renck hatte sie die örtlichen Kollegen darum gebeten, sämtliche Nachbarn auf eventuelle nächtliche Beobachtungen zu befragen. Erfahrungsgemäß konnte sich diese Prozedur über mehrere Tage hinziehen, waren die meisten Bewohner berufsbedingt doch nur zeitweise in ihren Wohnungen anzutreffen.
    »Niemand wohnt so nahe wie Sie«, sagte sie.
    »Ja, schon, aber wie gesagt …« Bach gestikulierte mit beiden Händen, gab sein Bedauern zu erkennen.
    »Sie haben einen gesunden Schlaf«, ergänzte die Kommissarin. Sie erinnerte sich an die Ausführungen Rencks bezüglich des Verhältnisses der beiden Nachbarn, wusste nicht, inwieweit sie den Behauptungen des Mannes Glauben schenken konnte. Bach wolle seit Jahren sein und Hellners alte Häuser abreißen und einen größeren Komplex mit Wohnungen errichten, aber der sturköpfige Nachbar verweigere sein Einverständnis. Bachs Grundstück allein sei zu klein, das lohne keinen Neubau, jedenfalls keinen größeren, wirklich Gewinn bringenden.
    Neundorf musterte das Areal um sie herum, stimmte Rencks Ausführungen insgeheim zu. Bachs Grundstück allein schien ihr in der Tat zu beengt, mit Hellners Haus und Garten zusammen ließ sich dagegen eine weitere dieser Eigentumswohnungsburgen, wie sie in der Umgebung so zahlreich zu finden waren, verwirklichen. Sie wollte gar nicht daran denken, welche Gewinne damit zu realisieren waren. Und für Bach als eigenständigen Bauunternehmer erwiese sich dieses Vorhaben wahrscheinlich noch lukrativer. Eine wahre Goldgrube. Der Mann hätte ausgesorgt fürs ganze Leben – wenn nur Hellner mit seiner Verweigerungshaltung nicht wäre. Nicht gerade eine Einstellung, die dem nachbarschaftlichen Verhältnis der beiden Herren dienlich war …
    Sie sah Bachs energisches Kopfnicken, deutete auf Hellners Besitz. »Die beiden Grundstücke zusammen, für wie viele Eigentumswohnungen würde das reichen? Zwanzig, dreißig?«
    Der Mann reagierte anders, als sie erwartet

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