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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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hatte. Er legte seine Stirn in Falten, winkte ab. »Oh nein, wieso denn? Finden Sie das reizvoll?« Er drehte sich zur Seite, zeigte auf den nahen Komplex. »Überall das Gleiche?«
    »Na ja, aber der Verdienst! Ich meine, pro Eigentumswohnung 50.000 oder was weiß ich wie viele Euro verdient?« Neundorf pfiff laut vor sich hin. »50.000 mal 30 geteilt durch zwei: Das ergibt 750.000 Euro. Für jeden. Für Sie und Ihren Nachbarn.« Sie zeigte zu Hellners Haus.
    Bach ließ sich nicht beeindrucken. »Sie glauben, die Kohle fliegt Ihnen einfach so zu?« Er schüttelte den Kopf. »50.000 pro Wohnung müssen Sie erst mal verdienen. Wenn Sie nämlich Pech haben, werden es nur 5.000 oder noch weniger. Und wenn Sie noch mehr Pech haben, holen Sie überhaupt nichts raus. Da machen Sie Miese, verstehen Sie, richtig schöne Miese. Für jede einzelne Wohnung. Nein, so einfach ist das nicht. Und der Stress und der Ärger die ganze Zeit. Unfähige Arbeiter, faule Handwerker, an allem herumnörgelnde Kunden. Das tue ich mir nicht mehr an. Wozu, für wen?«
    »Sie fürchten Verluste? Bei der Nachfrage, die wir zur Zeit haben?«
    Ihr Gesprächspartner war nicht bereit, seine Auffassung zu ändern. »Darf ich fragen, wie lange Sie im Baugewerbe tätig sind?«
    »Ich?«, antwortete Neundorf überrascht. »Überhaupt nicht. Aber wieso stehen hier so viele neue große Häuser, wenn …«
    »Da konnten einige den Hals nicht voll kriegen«, fiel Bach ihr ins Wort. »Aber das ist nicht mein Stil. Bauen ja, aber nicht auf diese Tour. Mir genügt mein Haus, überhaupt, seit ich allein lebe. Und Aufträge habe ich genug. Warum soll ich das Risiko eingehen, hier einen weiteren Betonbunker hinzuklotzen? Und nachher muss ich die Wohnungen unter Wert verkaufen? Das ist nicht mein Stil, nein.«
    Neundorf musterte den Mann eingehend, wunderte sich mehr und mehr über dessen Antwort. Sie schien von Vernunft und solidem Geschäftsgebaren geprägt, entsprach so gar nicht dem Bild, das Dr. Renck von Bach und Hellner und deren nachbarschaftlichem Verhältnis gezeichnet hatte. Das von Vorurteilen geprägte Denken des Alten kam also nicht nur in dessen bornierten Einlässen zum sexuellen Verhalten, sondern in allen Äußerungen seine Nachbarn betreffend zum Ausdruck. Sie musste Vorsicht walten lassen, was dessen Geschwafel anging. »Ihr Verhältnis zu Herrn Hellner ist gut?«, fragte sie.
    Bach musste nicht lange überlegen, zu einer Antwort zu finden. »Wir sehen uns sehr selten. Herr Hellner ist nur ab und an hier, da gibt es nicht viel Kontakt.«
    »Aber dieser seltene Kontakt …«
    »Ist ganz normal«, sagte der Mann. »Wie unter Nachbarn eben üblich.«
    »Und was sagen Sie zu dem Mann, der zur Zeit bei ihm wohnt?«
    »Bei Herrn Hellner?« Bach wusste offensichtlich nicht, wovon sie sprach. Er schaute ihr mit fragender Miene ins Gesicht, schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Da bin ich überfragt. Aber wieso fragen Sie nach einem Mann? Ich dachte, die Tote …« Er kam ins Stottern. »Ich dachte, es handelt sich um eine Frau?«
    Neundorf nickte wortlos, verabschiedete sich von dem Mann, lief zur Straße.

9. Kapitel
    Der Vorfall, dessentwegen Markus Ruppich 2008 zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war, hatte sich bereits im Spätherbst 2006 ereignet. Während einer feucht-fröhlichen Feier in einer am Rand der Alb gelegenen Jagdhütte hatte Ruppich eine junge Frau belästigt und sie zu vergewaltigen versucht. In letzter Sekunde waren andere Teilnehmer des Festes auf das Geschehen aufmerksam geworden. Sie hatten Ruppich in einem Nebenraum der Jagdhütte mit seinem Opfer überrascht, die junge Frau aus seiner Gewalt befreit und ihn dann in der Vorratskammer eingesperrt, um ihn der Polizei zu übergeben. Einer dieser Männer war Rolf Grobe, wie Braig aus den Unterlagen ersah, die Söderhofer ihm zur Verfügung gestellt hatte. Grobe war vor Gericht mit zwei weiteren Männern als Zeuge aufgetreten und hatte somit dazu beigetragen, dass Ruppich zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Das Opfer selbst, die 17-jährige Julia Riestler, war dermaßen alkoholisiert gewesen, dass sie zu den Vorkommnissen keine Angaben hatte machen können. Die Strafe war nach Ausführung des Vorsitzenden Richters nur deswegen nicht höher ausgefallen, weil der Angeklagte sich von Anfang an geständig und voller Reue gezeigt hatte. Zu Ruppichs Glück war ihm zudem die Untersuchungshaft voll angerechnet worden.
    Braig wunderte sich über diese

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