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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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das?«
    »Na ja, dass Ruppich sie nach seiner Entlassung wirklich ausführen könnte?«
    Heckles Reaktion erfolgte sofort. »Was wollen Sie damit andeuten?«
    »Rolf Grobe, einer der von Ruppich bedrohten Männer, ist tot.«
    »Wie bitte? Doch nicht …«
    »Doch«, antwortete Braig. »Genau das. Ermordet.«
    Am anderen Ende der Leitung blieb es sekundenlang ruhig. Nicht einmal das inzwischen gewohnte Inhalieren des Zigarettenrauchs war mehr zu vernehmen.
    »Sind Sie noch dran?«, erkundigte sich der Kommissar.
    Die Antwort kam zögernd. »Verdammt noch mal, da kann einem schon die Sprache wegbleiben.« Heckle nahm einen kräftigen Zug aus seiner Zigarette. »Ruppich hat gestanden?«
    »Sie trauen es ihm also zu.«
    Die Antwort ließ erneut auf sich warten. Der Mann schien intensiv mit seiner Nikotinzufuhr beschäftigt. Seine Bemühungen, den inhalierten Rauch wieder von sich zu geben, wollten kein Ende nehmen. »Wir haben doch wohl ähnliche berufliche Erfahrungen«, erklärte er dann. »Gibt es eine einzige Person auf dieser Welt, für die Sie die Hand ins Feuer legen?«
    »Nein«, antwortete Braig.
    »Liabs Herrgöttle von Biberach, so isch es halt mal, genau.«
    »Für wie ernst halten Sie seine Drohungen?«
    »Soll ich Ihnen die Strafgefangenen aufzählen, die sich trotz ihrer Verbitterung nicht irgendwann zu einer Drohung hinreißen ließen?«
    »Das ist keine Antwort auf meine …«
    »Nicht eine Handvoll«, fiel Heckle ihm ins Wort. »Aber das wissen Sie selbst. Sie sind schließlich vom Fach, oder?«
    Braig ging nicht auf sein Ablenkungsmanöver ein. »Für wie ernst …«
    »Mein Gott«, schimpfte der Sozialarbeiter. »Was soll ich jetzt sagen? Ruppich musste seine Strafe komplett absitzen, ist das nicht Antwort genug?«
    »Doch«, sagte Braig.
    »Sie haben ihn festgenommen?«
    »Noch nicht. Wir suchen nach seiner Adresse. Deshalb rufe ich an.«
    Heckle musste nicht lange überlegen. »Stuttgart«, sagte er. Er nannte Braig die Straße samt Hausnummer, fügte hinzu: »Es handelt sich um die Wohnung seiner Schwester. Sie stellte ihm bei der Entlassung ein Zimmer zur Verfügung. Nach dem Bankrott blieb ihm ja nichts mehr. Hier haben Sie ihre Telefonnummer, unter der er zu erreichen ist.«
    Der Kommissar notierte die Ziffern. »Er hält sich bei ihr auf?«
    »Letzten Freitag hatte ich ihn unter der Nummer an der Strippe, ja. Und vor vierzehn Tagen war ich dort, um die Wohnung persönlich in Augenschein zu nehmen. Lange kann er nicht bleiben. Da ist kaum Platz. Zwei kleine Zimmer, Küche, Bad. Die Schwester lebt allein, sehr bescheiden. Ich bin froh, dass sie ihn vorerst aufgenommen hat, bis …« Heckle brach ab, schimpfte. »Verdammt, hoffentlich haben Sie unrecht.«
    »Ihre Hoffnung in Ehren, aber …« Braig überlegte, wie sie Ruppich am schnellsten festnehmen konnten. »In welchem Stadtteil von Stuttgart ist das?«, fragte er. »Bevor ich auf den Plan schaue …«
    »Plieningen«, erklärte der Sozialarbeiter.
    »Plieningen?« Der Kommissar musste an sich halten, nicht vom Stuhl zu springen.
    »Ganz in der Nähe ist er aufgewachsen. Ein paar Straßen weiter, hat er mir erzählt, als ich dort war. Genau so arm und beschissen wie jetzt bei seiner Schwester. Mit direktem Blick auf den Schlosspark von Hohenheim, wenn Ihnen das etwas sagt. Ruppich war völlig verbittert, als er das erwähnte. Die Welt war schon immer so ungerecht, schimpfte er. Hier die von ihrem Mann verlassene, sich von früh bis spät für ihre Kinder abschuftende Frau in einem winzigen, unter dem Dach gelegenen Verschlag, den nur ein Verrückter als Wohnung bezeichnen konnte. Und unmittelbar davor der gepflegte Park mit exotischen Pflanzen aus aller Welt und dem Schloss, in dem zu studieren er angesichts seiner Herkunft und miserablen Schulabschlüsse nie die Chance bekam.« Heckle nahm einen Zug von seiner Zigarette, blies den Rauch, von einem Hustenanfall unterbrochen, stakkatoartig von sich. »Manchmal frage ich mich, ob sich die Zeiten wirklich grundlegend geändert haben.«
    Braig war zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, um sich auf die Überlegungen des Mannes einzulassen. Die Welt mochte noch so ungerecht sein, die meisten Menschen von grenzenloser Egomanie besessen, das Schicksal gerade den Bösen gut gesinnt – aller philosophische Weltschmerz half ihm jetzt nicht weiter. Rolf Grobe war am Rand des Hohenheimer Schlossparks ermordet worden, genau dort, wo die ersten Gebäude Plieningens standen, die Zusammenhänge

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