Schwaben-Filz
Nummer.«
Braig verabschiedete sich von dem Kollegen, wandte sich wieder seinen Unterlagen zu. Er suchte nach einer Adresse, unter der Ruppich nach der Verbüßung der Strafe zu erreichen war, fand nur die Anschrift des ihm zugeordneten Sozialarbeiters Patrick Heckle in Tübingen.
Der Mann war kurz darauf in der Leitung. »Heckle, ja?«
Braig stellte sich vor, erkundigte sich nach Markus Ruppich. »Sie betreuen ihn seit seiner Entlassung. Ist das korrekt?«
Heckle zog deutlich hörbar an einer Zigarette, blies den Rauch von sich. »Nicht ganz«, erklärte er dann. »Unser neues Programm beinhaltet ausdrücklich die Kontaktaufnahme spätestens drei Monate vor der Entlassung. Ich betreue ihn also bereits seit vier Monaten, wenn Sie diese Ausdrucksweise bevorzugen.«
»Dann kennen Sie ihn schon etwas besser.«
Diesmal kam die Antwort postwendend. »So würde ich das nicht bezeichnen. Ich betreue«, er betonte das Wort Buchstabe für Buchstabe, »zur Zeit etwa …« Braig hörte das Rascheln von Papier, hatte dann wieder Heckles Stimme am Ohr. »Zur Zeit betreue ich, um es genau zu sagen, 58 Haftentlassene beziehungsweise Häftlinge, die die Vollzugsanstalt in wenigen Wochen oder Tagen verlassen dürfen. 58, alles klar?«
»Sie können mir also nicht viel zu Ruppich sagen, oder?«
Der Mann zog erneut an seiner Zigarette, schien jetzt aber damit zu warten, den Rauch von sich zu blasen. Stattdessen verfiel er in ein kräftiges Husten. »Ach, so würde ich das nicht unbedingt formulieren«, sagte er dann, nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte. »Kommt ganz darauf an, was Sie wissen wollen.«
»Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit ihm?«
»Moment, das haben wir gleich.« Heckle blätterte in Papieren, hatte die Antwort kurz darauf parat. »Vor sechs Tagen. Am letzten Freitag.«
»Sie haben ihn persönlich getroffen?«
»Persönlich? Nein. Am Freitag haben wir telefoniert. Getroffen habe ich ihn zwei Tage vorher, am Mittwoch vergangener Woche.«
»Darf ich wissen, worum es dabei ging?«
Heckle hustete erneut. »Gegenfrage: Warum wollen Sie das wissen? Ich meine, wenn ein Kripo-Mann anruft und sich nach einem entlassenen Strafgefangenen erkundigt, stellt sich nur eine Frage: Was wollen Sie Ruppich in die Schuhe schieben?«
»Warum soll ich ihm …«
Der Mann unterbrach ihn mitten im Satz. »Ach, jetzt tun Sie doch nicht so unschuldig. Einmal Verbrecher, immer Verbrecher. Das kennen wir doch!«
»Sie meinen, ich sei ein von Vorurteilen geprägter Idiot, der mit einem Brett vor dem Hirn durchs Land stolpert und vom realen Leben keine Ahnung hat.«
»Liabs Herrgöttle von Biberach, was denn no älles?« Heckle blies Rauch von sich, ließ ein lautes Lachen hören. »Also, was wellet Sie höre?« Er war offensichtlich in Dialekt übergegangen, um die Situation zu entkrampfen.
»Ich gebe zu, dass manche Leute meiner Profession vielleicht etwas zu voreilig Schlüsse in die von Ihnen angedeutete Richtung ziehen.« Braig ärgerte sich über seine eigene, zu scharf geratene Reaktion, versuchte, wieder auf Konsens zu schalten. »Ich bemühe mich normalerweise, nicht so eindimensional zu denken, obwohl es manchmal, zugegebenermaßen, nicht immer leicht fällt.«
»Okay, lassen wir das Geplänkel«, lenkte sein Gesprächspartner ein. »Markus Ruppich. Weshalb rufen Sie an?«
»Er soll mehrere Leute bedroht haben.«
Braig erwartete eine heftige Replik Heckles, nahm dessen Antwort überrascht wahr.
»Das war der Anlass für mehrere intensive Gespräche, die wir miteinander führten. Einmal sogar unter der Beteiligung einer eigens von mir mit hinzugezogenen Psychologin.«
»Sie sprachen mit Ruppich, weil Sie von seinen Drohungen wussten?«
»Allerdings. Die Drohungen waren schließlich die Ursache, dass ihm keinerlei Haftverschonung zuteil wurde. Er hätte sonst weit über ein Jahr früher freikommen können.«
»Wie beurteilen Sie diese Drohungen?«
Braig musste eine Weile auf eine Antwort warten, weil sein Gesprächspartner den Geräuschen nach mit dem Anzünden einer neuen Zigarette beschäftigt war, hatte dann dessen kräftiges Husten am Ohr.
»Ruppich ist total verbittert«, meinte Heckle. »Die Psychologin sprach von einem Trennungstrauma, weil ihn seine Partnerin während seiner Haft verlassen hat. Die ersten Drohungen stammen aus genau dieser Phase. Und in der Zeit ging auch noch seine Baufirma bankrott.«
»Das auch noch. Hat die Psychologin seine Drohungen ernst genommen?«
»Wie meinen Sie
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