Schwaben-Filz
Ihnen unterhalten. Darf ich wissen, wo ich Sie in den nächsten Stunden erreiche?«
»Zu Hause in Heslach.«
»Den ganzen Abend?«
»Ja. Aber ab 19.30 Uhr etwa erwarte ich Besuch.«
»Gut, dann schaue ich innerhalb der nächsten Stunde vorbei. Ich möchte Sie aber bitten, die Wohnung nicht zu verlassen und keine fremde Person zu empfangen, bevor wir miteinander gesprochen haben.«
»Moment«, dröhnte der Mann. »Was reden Sie da?«
Das ist sein Lieblingswort, überlegte Braig. Moment, Moment, Moment.
»Was wollen Sie von mir? Was ist mit Ruppich?«
»Ich fürchte, Sie sind in Gefahr.«
»Wer ist in Gefahr?«
»Ich fürchte, Sie«, wiederholte Braig.
Der Mann reagierte anders, als er erwartet hatte. »Sie sind gut«, polterte er. »Ich in Gefahr?« Er ließ ein kräftiges Lachen hören, bellte mit voller Kraft ins Telefon. »Und Sie sind wirklich Polizeibeamter?«
»Braig ist mein Name. Ich bin Hauptkommissar beim LKA, ja.«
»Moment. Das ist gut.« Robel lachte erneut, hatte Mühe, sich zu beruhigen. »Wegen Ruppich, ja?«
»Markus Ruppich, ja. Ich weiß nicht, wie gut Sie ihn kennen. Er war einige Zeit im Gefängnis …«
»Ja, ja«, polterte sein Gesprächspartner. »Ich habe es gehört, der Kerl spinnt seit einiger Zeit. Hat sich da etwas verrannt, weil seine Firma über den Nesenbach ging. Aber Sie werden doch sein dämliches Gelaber von wegen die ganze Welt sei schuld an seinem Bankrott nicht ernst nehmen.«
»Die ganze Welt? Nein, nicht die ganze Welt. Wohl aber drei Männer, die ihn seiner Auffassung nach zu Unrecht eines Verbrechens beschuldigten. Unter anderem Sie.«
»Ach was! Das können Sie nicht ernst nehmen. Wenn ich auf alle diese Labersäcke hören würde…«
»Rolf Grobe ist tot«, sagte Braig.
»Moment. Wer?«
»Rolf Grobe.«
Zum ersten Mal im Verlauf ihres Gesprächs herrschte für einen Augenblick Ruhe. Robel benötigte zwei, drei Sekunden, zu begreifen. »Aber doch nicht …«
»Doch«, gab Braig zur Antwort, »genau das. Er starb keinen natürlichen Tod, wenn Sie das meinen.«
Robel war nun endgültig verstummt.
Keine fünfzig Minuten später saß Braig dem Mann gegenüber. Er hatte die Hilfe eines weiteren Kollegen angefordert, Stefan Aupperle dann beauftragt, alles daranzusetzen, den gegenwärtigen Aufenthaltsort Karl Neubers zu ermitteln. Danach hatte er auf dem Stadtplan festgestellt, dass die Wirtschaft
Zur Traube
, in der Rolf Grobe am Vorabend eingekehrt war, fußläufig in nur wenigen Minuten von Gerald Robels Wohnung aus zu erreichen war. Er beschloss, beide Besuche miteinander zu verbinden, lief vom Amt zum
Uff-Kirchhof
, um dort in die Stadtbahn zu wechseln.
»Ich versuche, gegen sieben zu Hause zu sein«, läutete er unterwegs seine Partnerin an.
»In zwei Stunden? Du glaubst, das schaffst du?«
»Ich hoffe es. Du hast den Tag überlebt?«
Ann-Katrin lachte. »Deine Tochter schläft und deine Mutter steht am Herd.«
Seit einer Woche hatten sie seine Mutter zu Gast, in einem geräumigen, eigens von ihrem Vermieter zur Verfügung gestellten Zimmer im Dachgeschoss, das von einer kleinen Küchenzeile, einem Bad und einer Toilette komplettiert wurde.
»Sie sind jederzeit als mein persönlicher Gast willkommen«, hatte Dr. Genkinger vor Monaten schon bekundet, als er zum ersten Mal in den Genuss ihrer Kochkünste gekommen war.
Braigs Mutter hatte den Tierarzt beim Wort genommen. Zwar sah sie sich im Gegensatz zu ihrer Enkelin angesichts des gemeinsamen Lebens mit einem Hund, mehreren Katzen sowie von Zeit zu Zeit wechselnden weiteren Vierbeinern keineswegs zu ekstatischer Begeisterung veranlasst, doch ließen das Zusammensein mit Ann-Sophie, dem eigenen Sohn und dessen Lebensgefährtin die tierischen Mitbewohner als erträglich erscheinen. Fast jeden Monat war sie inzwischen für zehn bis vierzehn Tage Gast des Hauses, was den Leibesumfang nicht nur des Tierarztes deutlich hatte anschwellen lassen. Viel Freizeit konnte sie daher nicht genießen, allzu sehr war sie damit beschäftigt, immer neue kulinarische Kreationen auf die Teller zu zaubern.
»Was gibt es heute Abend?«, erkundigte sich Braig deshalb bei seiner Partnerin.
»Da musst du Dr. Genkinger fragen«, antwortete sie, »er war schon zwei Mal da, um sich darüber zu informieren. Der kann es kaum erwarten, bis sie soweit ist.«
»Immerhin wird es so etwas wie ein Abschiedsessen«, meinte er, auf die geplante Fahrt seiner Mutter am übernächsten Tag nach Hamburg anspielend.
»Du glaubst doch
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