Schwaben-Freunde: Kommissar Braigs 16. Fall (Schwaben-Krimi) (German Edition)
Beweggründe?«
»Ich war gerade mit Katrin noch mal bei den Eltern in Ludwigsburg. Harttvaller musste seinen Computer zu Hilfe nehmen, da kam er tatsächlich auf den Namen. Rassauer wollte vor mehreren Jahren seine Bruchbude zu einem Geschäftshaus ausbauen. Hatte wohl einen solventen Investor im Hintergrund. Der Bebauungsplan der Stadt stand dem aber eindeutig entgegen. Harttvaller konnte gar nicht anders als das Projekt abzulehnen. Dem waren die Hände gebunden.«
»Wann war das?«
»Vor vier Jahren.«
»Und dann wartet der Kerl vier Jahre, bis er die Kleine entführt?«
»Was weiß ich. Verbrechen beruhen meist weniger auf rationalen Überlegungen als auf irrationalen Gefühlseruptionen. Aber das weißt du ja selbst. Seine genauen Beweggründe erfahren wir erst, wenn wir den Kerl erwischt haben. Hoffentlich bald. Weshalb rufst du an?«
»Deine Tochter ist völlig aufgewühlt.«
»Was ist passiert?«
»Eine alte Frau wurde überfallen. Vor unseren Augen.«
»Wo?«
»Im Kurpark. Wir gingen spazieren wie immer. Es war überraschend mild, die Luft richtig angenehm. Da wollte ich etwas raus. Ich musste ja heute nicht in die Praxis. Dr. Genkinger war auf seiner Fortbildungstagung in Karlsruhe. Ja, und da haben wir es gesehen.«
»Wie genau ist das gelaufen?«
»Zwei ältere Damen waren gemeinsam unterwegs durch den Park, beide nicht mehr so gut zu Fuß und mit Stöcken. Die eine hatte ihre Handtasche über der Schulter. Ich war mit Ann-Sophie vielleicht dreißig Meter von den beiden entfernt, als zwei Jungs auf sie zukamen. Um die fünfzehn Jahre alt etwa. Ich glaube, die hatten uns nicht bemerkt. Der eine Junge hatte eine Zeitung in der Hand, die hielt er den beiden Frauen vor die Nase. Das war Teamarbeit, wie bei Profis. Zwei abgebrühte Typen. Ich sah, wie der eine auf etwas in der Zeitung deutete, auf ein Bild oder einen Artikel, und während sich die beiden Frauen auf das Papier konzentrierten, sprang der andere Kerl plötzlich die Frau an und riss ihr die Handtasche von der Schulter. Und dann rannten beide wie die Wilden davon. Das ging so schnell, dass ich überhaupt nicht reagieren konnte. Bis ich begriffen hatte, was passiert war, war von den beiden Jungen nichts mehr zu sehen.«
»Verletzt wurde niemand?«
»Zum Glück nicht, nein. Aber die Frauen waren total schockiert. Kein Wunder, das kam aus heiterem Himmel.«
»Du hast es den Kollegen gemeldet.«
»Sofort per Handy, ja. Die schickten auch eine Streife. Aber da waren die Typen schon längst über den Neckar. Deine Tochter ist jedenfalls völlig aufgeregt. Die findet heute nicht so schnell in den Schlaf.«
Braig hatte sich beeilt, nach Hause zu kommen, wurde von Ann-Sophie bereits an der Wohnungstür empfangen. Sie hatte Micki, ihre junge Katze, im Arm, sprudelte ohne jede Begrüßung einfach drauflos.
»Eine Oma haben sie überfallen. Ihre Tasche genommen. Böse Jungs. Mama hat alles gesehen.«
Er bückte sich nieder, nahm ihr die Katze aus den Händen, gab ihr links und rechts einen Kuss.
»Böse Jungs«, wiederholte Ann-Sophie. »Warum tun die der Oma weh?«
»Die wollten ihre Tasche«, antwortete er.
»Warum?«
»Damit sie an das Geld der Oma kommen.«
»An das Geld von der Oma?«
»Das hatte die bestimmt in der Tasche.« Er legte seine Jacke ab, zog sich die Schuhe von den Füßen.
»Das haben die bösen Jungs gewusst?«
»Na ja, das haben die sich gedacht. Frauen tragen ihr Geld meistens in Taschen mit sich herum.«
»Männer machen das nicht?«
Braig lachte laut, nahm Ann-Sophie in den Arm, drückte sie an sich. »Nein, Männer stecken ihr Geld in ihre Hosen.«
»Du auch?«
»Ja.«
»Aber du tust es doch in deine Jacke.«
Er trug sie ins Wohnzimmer, begrüßte seine Frau mit einem flüchtigen Kuss, setzte dazu an, sich auf dem Sofa niederzulassen.
»Vorsicht, Papa, Mogli schläft«, hörte er die mahnende Stimme seiner Tochter.
Gerade noch rechtzeitig blickte er sich um, sah ihren großen Kater lang ausgestreckt mitten auf dem Polster dösen. »Ach so, Verzeihung, mein Herr«, brummte er etwas theatralisch, machte drei, vier Schritte, setzte sich samt seiner Tochter in den freien Sessel daneben.
Sie kicherte laut. »Du hast dich bei Mogli entschuldigt.«
»Ja, das gehört sich doch so. Immer rücksichtsvoll sein.«
»Aber doch nicht bei Tieren, Papa.«
»Warum nicht? Mogli gehört doch auch zu unserer Familie.«
»Ja, aber er kann nicht mit uns reden. Deshalb musst du dich auch nicht bei ihm
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