Schwaben-Freunde: Kommissar Braigs 16. Fall (Schwaben-Krimi) (German Edition)
Hinterdutzingen oder …
»Direkt unterm Fernsehturm«, erklärte der Kollege.
»Fernsehturm?«
»Koine hundert Meter vom Turm entfernt.«
»Hier in Stuttgart?«
»Ja, moinet Sie, i stand uf’m Alexanderplatz in Berlin? Also, kommet Sie jetzt endlich?«
Fünfzehn Minuten später war Knudsen in Degerloch angelangt. Von zwei brennenden oder verbrannten Autos keine Spur, auch nicht von einem einzigen. Nicht einmal ein Hauch von Brandgeruch in der Luft. Dafür aber hupende, lärmende und stinkende Blechkarossen, wohin er auch sah. Jahnstraße, Kirchheimer Straße, Mittlere Filderstraße in jede Richtung verstopft, die Fahrzeuge im Fußgängertempo vorwärts ruckelnd. Warum hatten alle diese Vollidioten nicht eine der zahlreichen, mit hohem Tempo fast lautlos auf die Haltestelle
Ruhbank
zufahrenden Stadtbahnen benutzt oder waren wenigstens zu Hause geblieben?
Knudsen versuchte, das noch in frühmorgendliche Dunkelheit gehüllte Chaos zu überblicken, bemerkte etwa einhundert Meter entfernt rotierendes Blaulicht. Er bewegte sich aus dem grell erleuchteten Areal um die Ruhbank weg, sah eine aufgeregt miteinander diskutierende Menschenmenge mitten auf der Fahrbahn vor sich. Zwei uniformierte Beamte bewachten das Absperrband, drei Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr unmittelbar dahinter.
Er lief geradewegs auf die Ansammlung der Schaulustigen zu, schob die Leute auseinander, kämpfte sich nach vorne.
»Hey, du Bachel, bass doch uf, wo’d na langsch.«
»Was isch denn des für an overschämter Saftsack?«
»Du Rindvieh, lass die Pfote von mir weg!«
Kurz nach dem dritten Rindvieh war er vorne angelangt. Er drückte ein besonders ausufernd in die Breite zerlaufenes Bergvolkexemplar zur Seite, schlüpfte unter dem Absperrband durch.
»Was erlaubt sich denn der Halbdackel?«, dröhnte es hinter ihm.
Knudsen zog seinen Ausweis, hielt ihn dem auf ihn zuschießenden, uniformierten Kollegen entgegen. »LKA«, brummte er, erkundigte sich mit einem kurzen »Wo?« nach dem Unfallort.
Der Beamte musterte ihn misstrauisch durch seine dicke Brille, wies dann hinter die Fahrzeuge der Feuerwehr. »Endlich sind Sie da!«, äußerte er mit lauter Stimme.
Knudsen ließ sich nicht beirren, drückte sich an dem gut drei Meter hohen, roten Einsatzwagen vorbei. Bergvolkangehörige, was war da schon Gutes zu erwarten?
Der Unfallort erstrahlte in derart grellem Licht, dass er erst einmal stehen blieb und seine Augen hinter seiner Handfläche verbarg. Mehrere Sekunden lang war es ihm unmöglich, etwas zu erkennen. Er hörte verschiedene Stimmen vor sich, hatte auf einmal den Brandgeruch in der Nase. Wie vor zwei Tagen, schoss es ihm durch den Kopf, über der steilen Straßenböschung am Rand der Alb. Er nahm die Hand vom Gesicht, presste die Augen zusammen, versuchte, die Szenerie zu überblicken.
Mehrere ineinander verkeilte, teilweise stark deformierte, auf der Seite liegende Pkws, zwei davon von schwarzen Brandschlieren gezeichnet. Die Fahrzeuge hatten Feuer gefangen, allerdings bei Weitem nicht mit der Intensität, wie er es vorgestern hatte mit ansehen müssen. Neben den Autowracks die sterblichen Überreste eines Mannes, auf eine Bahre gebettet auf dem Asphalt. Eine Handvoll mit Schutzanzügen bekleideter Männer machte sich an den Karossen zu schaffen, auch vor der Leiche kniete eine Gestalt.
Knudsen trat näher, erkannte den Mann auf dem Boden. »Moin«, grüßte er. Mehr und mehr gewöhnten sich seine Augen an die hell ausgeleuchtete Umgebung.
Dr. Schäffler erhob sich, reichte ihm die Hand. »Hallo, Knudsen, auch so früh im Einsatz?«
»Wat mut, dat mut.« Er wies auf den toten Körper unter sich. »Der Todesfahrer?«
»Er raste ungebremst auf die an der Ampel wartenden Fahrzeuge, habe ich mir sagen lassen.«
»Suizid?«
Der Gerichtsmediziner zog die Stirn in die Höhe, wog seinen Kopf hin und her. »Gurtet man sich an, wenn man durch einen Aufprall aus dem Leben scheiden will?«
Knudsen warf Dr. Schäffler einen fragenden Blick zu.
»Ja, er hing in seinem Gurt. Reden Sie mit den Kollegen. Außerdem sind die Spuren nicht zu übersehen.« Er wies auf den toten Körper unter sich. »Und er hatte eine brennende Zigarette im Mund und eine Kiste Bier neben sich. Allerdings auch einen wohl halb gefüllten Kanister Benzin. Aber fragen Sie die Techniker, die erzählen es Ihnen aus erster Hand. Gestorben ist er auf jeden Fall durch Genickbruch. Obwohl er angegurtet war und der Airbag funktionierte. Wahrscheinlich war der
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