Schwaben-Freunde: Kommissar Braigs 16. Fall (Schwaben-Krimi) (German Edition)
sondern auch meine Anna schnappen.«
»Wie bitte?« Braig starrte elektrisiert zu seinem Gegenüber. »Verstehe ich das richtig: Ob sie warten wollen, bis die sich nicht nur Elena, sondern auch noch Ihre Tochter schnappen?«
Leitner stieß hervor: »Genau so! Ich habe heute Nacht kein Auge zugetan. Ich bestehe nur noch aus Angst, purer Angst. Deshalb bin ich jetzt extra zu Ihnen nach Stuttgart gefahren.« Tränen kullerten ihm über die Wangen. Er schluckte heftig, war nicht imstande, weiterzusprechen.
Braig ließ ihm Zeit, reichte dem Mann ein Papiertaschentuch. Sein Besucher tupfte sich das Gesicht sauber, versuchte, wieder Fassung zu gewinnen.
»Sie müssen entschuldigen«, bat er mit belegter Stimme, »das ist wirklich nicht meine Art. Aber die letzten Tage … Ich habe Angst um meine Familie, um meine Frau und meine Tochter, und natürlich hatte ich auch Angst um Elena. Sie ist ja immerhin das Kind einer alten Bekannten meiner Frau. Wenn ich mir vorstelle, die haben Elena nur entführt, um ihre Drohungen gegen mich …« Er hielt inne, schüttelte den Kopf. »Das kann doch nicht sein, oder?«
Braig musterte sein Gegenüber, überlegte, dass der Mann bis in die Grundfesten seines Daseins von diesen obskuren Drohungen erschüttert war. Wer immer dahintersteckte, er hatte nachhaltige Wirkung erzielt. »Jetzt erzählen Sie mir doch bitte der Reihe nach«, forderte er ihn auf. »Und nehmen Sie hier auf diesem Stuhl bitte Platz.« Er wartete, bis ihr Besucher seinem Wunsch nachgekommen war, fuhr dann fort. »Sie erhalten seit Wochen Drohungen, habe ich das richtig verstanden?«
Leitner atmete kräftig durch, nickte mit dem Kopf.
»Wie werden diese Drohungen übermittelt? Per Telefon, SMS …«
»Telefon«, fiel ihm der Mann ins Wort. »Immer per Telefon.«
»Handy, Festnetz?«
»Handy. Immer übers Handy.«
»Die Nummer lässt sich erkennen?«
»Nein, natürlich nicht. Dem Code nach ein Prepaid-Anschluss.«
»Wer ruft an? Eine Originalstimme?«
Leitner schüttelte den Kopf. »Ein Mann. Aber völlig verzerrt.«
»Immer derselbe?«
»Ich weiß es nicht.« Er überlegte. »Die Stimme ist völlig verzerrt. Die Art aber, wie er spricht … Von daher würde ich sagen, es ist immer dieselbe Person. Ich bin mir aber nicht sicher.«
Verzerrte Anrufe, überlegte Braig, handelte es sich tatsächlich nicht nur um einen Dumme-Jungen-Streich, wie man das in der Routine des Polizei-Alltags zuerst einmal abzutun gewöhnt war? Hatte die Sache wirklich einen ernsthaften Hintergrund? »Wann erfolgen die Anrufe?«, erkundigte er sich. »Immer zur gleichen Zeit?«
»Nein, nein. Das ist verschieden. Aber nur tagsüber. Immer nur, wenn ich in der Firma oder unterwegs bin.«
»Worum geht es? Die wollen Geld?«, erkundigte sich Neundorf.
»Nein«, erklärte Leitner. »Davon war nie die Rede. Ich soll die Ergebnisse der Studie, an der ich seit Monaten arbeite, manipulieren.«
»Wie bitte?«, fragte Braig erstaunt. »Es geht überhaupt nicht um finanzielle oder persönliche Dinge, sondern um Ihre berufliche Tätigkeit? Verstehe ich das richtig?«
Sein Besucher nickte. »Ja, es geht um die Ergebnisse der Studie.«
»Was ist das für eine Studie?«
Leitner ließ einen lauten Seufzer hören. Er strich den Ärmel seines dunkelblauen Jacketts gerade, holte tief Luft. »Ich bin Geologe«, sagte er. »Meine Firma erforscht im Auftrag verschiedener Konzerne und Behörden die Lagerung von Rohstoffen und erstellt Potentialanalysen zu den jeweiligen Vorkommen. Wir überprüfen die technischen Möglichkeiten, die Rohstoffe zu erschließen, und erstellen verschiedene Kostenmodelle dazu. Welche Fördermethode sich also für den konkreten Fall empfiehlt, welche geologischen und technischen Risiken dabei existieren und wie teuer es ausfällt – im günstigsten wie im ungünstigsten Fall.« Er nickte Braig zu, hängte dann noch den Satz: »Wir sind weltweit tätig« an.
»Und Ihre Studie?«, überlegte der Kommissar. »Welches konkrete Thema hat sie zum Inhalt?«
»Schiefergasvorkommen in Südwestdeutschland und die Möglichkeiten ihrer Erschließung. Sie haben bestimmt schon davon gehört.«
»Sie sprechen von diesem umstrittenen Fracking?«, fragte Braig.
»Das ist eine der Erschließungsmethoden, ja. Angesichts ihrer Begleiterscheinungen wird sie allgemein sehr kritisch beurteilt.«
»Mit Chemikalien versetzte Flüssigkeiten werden in den Boden gepumpt, um das Gas aus dem Gestein entweichen zu lassen?«
»Grob gesprochen, ja.
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