Schwaben-Gier
die Tür des Lokals. Er musste nicht lange warten; eine dunkelblonde, sehr attraktive Frau um die vierzig öffnete und sah ihn fragend an.
»Sie sind von der Polizei?«
Braig bestätigte ihre Vermutung, zeigte seinen Ausweis, stellte sich und seinen Kollegen vor. »Sie sind Frau Imenschek?«
Sie nickte, bat die Männer ins Restaurant, schloss hinter ihnen ab. Das Lokal war leer, der Boden schien frisch geputzt. Sie führte sie durch den Raum, bat sie, an einem kleinen Tisch unmittelbar vor der Theke Platz zu nehmen. »Ich kann das nicht begreifen«, sagte sie, aufrecht vor dem Tisch stehend, »Frau Kindler wird uns nie mehr Nudeln bringen?«
»Nein, das wird sie nicht mehr«, antwortete Braig, »aber vielleicht übernimmt jetzt ein Angestellter der Firma diese Aufgabe.« Er fühlte selbst, wie pietätlos seine Worte klangen, war froh, als Schiek den Bildschirm seines Laptop aufklappte und binnen weniger Sekunden das Bild von Marianne Kindlers Begleiter darauf entstehen ließ. Er wartete, bis der Graphiker das Gerät in die richtige Position gebracht hatte, sah die wissbegierigen Augen der Frau. Sie hatte sich einen Stuhl hergezogen, dann direkt vor dem Monitor Platz genommen. Schiek setzte zu einer Frage an, kam nicht dazu, sie vollends auszusprechen.
»Ist das der Mann …?«
»Ja«, fiel sie ihm mitten ins Wort, »so habe ich ihn in Erinnerung. Das ist er.«
Der Graphiker gab ihr Zeit, sich das Porträt genau zu betrachten, fragte nach eventuellen Korrekturen. »Das Dumme an der Sache ist, dass wir nicht wissen, ob er wirklich genauso aussieht. Das Bild ist aus den Hinweisen eines Gastwirtes entstanden, den Frau Kindler ebenfalls öfter besuchte. Er hat den Mann nur flüchtig gesehen. Vielleicht hat er ihn nicht genau beschrieben? Sollen wir irgendetwas an ihm verändern, die Haare, die Augen, die Nase, das Kinn?« Er verdeutlichte seine Worte, indem er die jeweilige Partie leicht retuschierte, wartete auf Reaktionen ihrer Gesprächspartnerin.
Suzanna Imenschek drückte ihre Hände fest aneinander, rieb sie verkrampft hin und her. Braig sah, wie schwer sie sich mit einer Antwort tat.
»Es ist eine Weile her, dass Sie den Mann gesehen haben«, versuchte er, ihr zu helfen, »und es waren auch nur ein paar Minuten.«
Sie wandte den Blick vom Monitor weg zu ihm, warf ihm ein dankbares Lächeln zu. »Ja«, meinte sie, »es ist lange her.« Sie atmete kräftig durch, nahm ihre Hände vom Tisch, rang mit Worten. »Ich denke, dass es sehr wichtig ist für Sie«, erklärte sie schließlich, »und ich will Sie auch nicht enttäuschen. Aber ich kann Ihnen den Mann nicht genauer beschreiben. Es ist zu lange her, wirklich.« Sie blickte Braig um Verständnis heischend an, sah sein Nicken. »Aber so sah er aus«, bestätigte sie noch einmal, auf den Monitor deutend, »genauso.«
Er wusste, wie schwer es war, sich nach mehreren Monaten an eine Person zu erinnern und sie bis ins Detail zu beschreiben, die man nur für einen Moment gesehen und nicht weiter beachtet hatte, erhob sich von seinem Stuhl, bedankte sich bei der Frau. »Sie haben uns sehr geholfen«, sagte er, fügte dann, als er ihre fragende Miene bemerkte, »wirklich, ich meine das ehrlich, Sie haben uns bestätigt, dass wir über das richtige Porträt verfügen«, hinzu, sah, dass sie sich langsam entspannte.
»Sie werden nach dem Mann suchen?«
»Wir geben das Bild allen Zeitungen, auch den Fernsehsendern«, bestätigte er, »auch wenn wir nicht wissen, ob es sich wirklich um den Täter handelt.«
»Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg.«
Braig bedankte sich bei Suzanna Imenschek, wartete, bis Schiek ihr einen Ausdruck des Fotos gereicht hatte, hörte die Worte des Kollegen. »Falls Ihnen doch noch eine Korrektur einfällt …«
Sie begleitete sie zur Tür, öffnete sie, verabschiedete sich von den Männern.
»Sie hat ihn erkannt«, meinte Schiek, als sie zu ihrem Fahrzeug liefen, »mehr konntest du nicht erwarten.«
Braig nickte, wartete, bis der Kollege die Tür öffnete, nahm neben ihm Platz. »Ich werde Bockisch informieren und eine Pressekonferenz einberufen, um das Bild zu veröffentlichen. Ich denke, wir können es riskieren.« Er zog sein Handy vor, wurde von dessen Läuten überrascht, nahm das Gespräch an. Die Stimme kam ihm bekannt vor, dennoch benötigte er ein paar Sekunden, bis er sich darüber im Klaren war, wo er sie einordnen musste.
»Heller. Guten Tag. Sie sind der Kommissar, mit dem ich am Montag gesprochen habe? Ihre Kollegin
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