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Schwaben-Gier

Schwaben-Gier

Titel: Schwaben-Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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sie am ganzen Leib zitterte.«
    »Sie zitterte am ganzen Leib?«, fragte Braig. Dafür konnte es nur eine Erklärung geben, überlegte er. Der unbekannte Fremde stand draußen vor dem Lokal und bedrohte sie. »Und? Was hat sie geantwortet?«
    »Genau kann ich Ihnen das nicht mehr sagen. In dem Moment war bei mir zu viel Betrieb.«
    »Aber so ungefähr wissen Sie das doch noch!«
    »Sie gab keine direkte Antwort. Ich glaube, sie war so aufgeregt, dass sie meine Frage gar nicht richtig verstand.«
    »Aber irgendwie wird sie ihr seltsames Verhalten doch begründet haben.« Braig war nicht bereit, den Mann aus seiner Verantwortung zu entlassen. Die Aufregung Marianne Kindlers zu diesem Zeitpunkt hatte mit ihrem Tod zu tun, davon war er überzeugt. Umso wichtiger war es jetzt für ihn, jede noch so banale Bemerkung, die sie an diesem Abend hatte fallen lassen und jede scheinbar noch so bedeutungslose Beobachtung, die der Wirt gemacht hatte, zu erfahren – vielleicht fand sich auf diesem Weg ein Anhaltspunkt, der ihn auf die Spur des Unbekannten führte. »Sie gab keine direkte Antwort«, insistierte er deshalb, »wie hat sie aber stattdessen reagiert? Es ist für mich sehr wichtig, dass Sie versuchen, sich daran zu erinnern. Jeder noch so kleine Hinweis kann uns entscheidend helfen.«
    »Ja, das ist mir schon klar«, bekannte Hariolf Reitmaier, »aber trotzdem kann ich Ihnen da nicht einfach so eine Antwort präsentieren. Sie dürfen nicht vergessen, bei mir war gerade ordentlich was los. Ein Haufen Leute palaverte durcheinander, der eine dies, der andere das, da konnte ich nicht nur auf Frau Kindler achten. Das war unmöglich.«
    »Ja, das verstehe ich gut. Ich will Sie jetzt auch nicht drängen, im Gegenteil, Sie sollten sich Zeit lassen und in Ruhe darüber nachdenken. Vielleicht fällt Ihnen etwas ein, wenn Sie sich die Situation vom Montagabend wieder ins Gedächtnis rufen. Wo in Fellbach liegt Ihr Lokal?«
    »Im Rathaus. Direkt am Marktplatz.«
    »Dann komme ich bei Ihnen vorbei«, sagte Braig. »In dreißig Minuten etwa, wäre das recht?«
    »In dreißig Minuten? Ja«, antwortete der Mann. »Aber ob ich Ihnen wirklich helfen kann?«
    »Versuchen Sie einfach, sich noch einmal an den Montagabend zu erinnern. Stellen Sie sich vor, Frau Kindler kommt gerade zu Ihnen, bringt ihre Nudeln mit. Sie merken, dass sie sich anders verhält als sonst und dann fällt Ihnen auf, wie sie zittert. Was ist denn heute mit Ihnen los, fragen Sie.«
    »Ich habe den Kerl gesehen, der meinen … auf dem Gewissen hat«, sagte der Wirt.
    »Wie bitte?«, fragte Braig.
    »Ich habe den Kerl gesehen, der meinen … auf dem Gewissen hat. Das war ihre Antwort. Nicht gleich, erst ein paar Sekunden, vielleicht sogar ein oder zwei Minuten später. Aber den Satz sagte sie, das fiel mir gerade eben wieder ein.«
    »Sie hat den Kerl gesehen, der jemand auf dem Gewissen hat? Wen sollte der auf dem Gewissen haben?«
    »Das kann ich nicht sagen. Ich habe nicht groß darauf geachtet. Das lief so nebenbei, wissen Sie. Sie stand über ihre Rechnung gebeugt und murmelte die Worte vor sich hin.«
    »Sie sind sich ganz sicher, dass sie diesen Satz sagte?«
    »Ja, ich höre sie jetzt wieder diese Worte vor sich hinmurmeln. Das war ihre Antwort.«
    Braig notierte sich den Satz, verabschiedete sich von dem Mann, erinnerte ihn daran, dass er in einer halben Stunde etwa persönlich bei ihm vorbeischauen würde. Ich habe den Kerl gesehen, der meinen … auf dem Gewissen hat. Vorausgesetzt, der Satz stimmte, Marianne Kindler hatte ihn wirklich gesprochen – wen hatte sie gemeint? Braig war sich sicher, die Antwort zu kennen: Der unbekannte Asiate. Wen aber sollte der Mann auf dem Gewissen haben?
    Er stand auf, trank die Tasse leer, steckte das Notizbuch samt Schreibzeug ein, machte sich auf den Weg zur Stadtbahn-Station Augsburger Platz. Sie war vom Amt in kurzer Zeit zu erreichen, bot alle paar Minuten direkte Züge nach Fellbach. Braig spürte die warme Luft, atmete kräftig durch. Wen hatte der Asiate auf dem Gewissen? Er überlegte, Hermann Kindler anzurufen und ihn nach dem geheimnisvollen Fremden zu befragen, wollte vorher aber erst noch persönlich mit dem Wirt des Zum alten Wetzstein sprechen. Ich habe den Kerl gesehen, der meinen … auf dem Gewissen hat. Was hatte der Chinese, Japaner oder Thai verbrochen? Was hatte er getan, dass er sich gezwungen sah, anschließend auch noch Marianne Kindler zu ermorden? Waren die Hintergründe in jenem Hotel in Thailand

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