Schwaben-Hass
Wohnung, untersuchte die Räume nach etwaigen Fingerabdrücken. Unter großem Murren hatte er sich bereit erklärt, die Arbeit am Samstagnachmittag trotz unzähliger Überstunden zu übernehmen. Schöffler und sein Team waren immer noch im Gänsmantel-Bauernhof beschäftigt.
Braig begrüßte den Kollegen, zeigte Frau Breidle die beiden Räume, bat sie, nichts zu berühren.
»Mein Mann?«, fragte sie zweifelnd, »die gehörte meinem Mann?«
Er nickte, ließ ihr Zeit. »Sie haben wirklich nichts davon gewusst?«
Sie schüttelte langsam, wie in Zeitlupe, den Kopf, stand vor dem breiten Bett, betrachtete den großen Spiegel. »Dass er andere Frauen hatte, war mir bekannt«, sagte sie dann, »aber das hier, nein.« Sie starrte auf die Bilder, die auf dem Tisch lagen – Breidle im Kreis verschiedener junger Frauen – trat einen Schritt zurück. »Sind alle Männer so?«
Braig wusste nicht, was er antworten sollte, sah, wie sie langsam am Bett vorbei in die Küche lief und dort alles sorgsam betrachtete.
»Vielleicht hätte ich nie davon erfahren«, meinte sie, als sie mit Tränen in den Augen wieder zurückkehrte.
Er spürte, wie elend ihr zumute war. »Es tut mir Leid. Wir mussten es Ihnen zeigen«, versuchte er sich zu entschuldigen.
Mussten sie es wirklich? Er wusste es nicht. Vielleicht hätten sie es ihr ersparen sollen.
»Brauchen Sie das wirklich?« Ilka Breidle stand vor ihm, schaute ihm mit großen Augen ins Gesicht. »Ich meine, ständig was Neues im Bett?«
Die Situation war ihm unangenehm. Was sollte er antworten, ohne sie zu kränken, vielleicht sogar tiefer zu verletzen?
Mit einem lauten Seufzer drehte sie sich von ihm weg. »Ich glaube, ich werde Männer nie verstehen«, sagte sie, die Augen auf einen imaginären Punkt in der Ferne gerichtet. Sie starrte durchs Fenster, wie in Trance.
Sie hatte ein Motiv, überlegte er, nein, nicht nur ein Motiv, vielleicht sogar das Recht, ihrem Mann Gewalt anzutun für all das, was er sie hatte erleiden lassen. Wenn nur ein Bruchteil von dem stimmte, was Frau Eisemann hier beobachtet und ihnen erzählt hatte, dann war es – abseits aller juristischen Vorschriften – verdammt noch mal ihr Recht, dem Kerl eine überzubraten.
Alle paar Abende, er erinnerte sich an die Worte der neugierigen Nachbarin, schleift der neue Weiber bei. Und lang hat ders net mit derselbe ausghalte. Waren Männer so?
»Nein, Männer sind nicht so«, sagte er, »nur einige. Aber vielleicht gibt es auch solche Frauen.«
Er wusste, wie billig diese Ausrede war. Eine dumme, überflüssige, sinnlose Bemerkung, die niemandem half, nichts verbesserte, die Realität nur scheinbar zu verklären suchte.
Ilka Breidle erwachte aus ihrer Trance, warf einen letzten Blick auf das Zimmer, wandte sich zur Tür. »Brauchen Sie mich noch?«
Er schüttelte den Kopf, bedankte sich für ihre Bereitschaft, die Wohnung zu begutachten, begleitete sie die Treppe hinunter.
»I muss Dir noch was zeige«, rief Rössle ihm hinterher, »i glaub, i han was Wichtiges entdeckt.«
»Ich komme sofort.«
Braig bat Söhnle, der sich lauthals im Treppenhaus mit Frau Eisemann unterhielt, Frau Breidle nach Hause zu bringen, stieg die Stufen wieder hoch.
»Du hast etwas entdeckt?« Er schloss die Tür hinter sich, betrachtete den Packen Papiere, den Rössle auf den Boden vor dem Tisch ausgebreitet hatte. »Wo hast Du das her?«
Rössle erhob sich mühsam, streckte sich, atmete tief durch. »Alle Idiote von Sindelfinge und die ka ma gar net zähle, weils so viele sind, i glaub, der Kerl hat was Brisantes entdeckt. Und ihr feine Herre schiebets auf sei Weib!«
Braig streifte sich Handschuhe über, betrachtete die Papiere. Es handelte sich um Kopien topographischer Karten, die alle mit Filzstiften gekennzeichnet und beschriftet waren. »Wo ist das?«
Er las die Namen der Städte, sah die Markierungen und Daten, die bei einigen von ihnen vermerkt waren.
»Mazedonien und Kosovo«, brummte Rössle.
Braig erinnerte sich an einen Teil der Orte aus den Nachrichten, glaubte die Verbindung zu ihren Ermittlungen zu erkennen. »Hasim Foca«, sagte er, »der Albaner.«
Die den Karten beigefügten Listen bestanden aus Aufzeichnungen der Standorte der in Mazedonien und im Kosovo stationierten internationalen Kfor-Soldaten. Dann folgten mehrere Blätter, die mit weiblichen Vor- und Nachnamen beschrieben waren und eine Art Lebenslauf der jeweiligen ausnahmslos sehr jungen Frauen, ja Mädchen, enthielten, ergänzt von einer
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