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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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die Auskunft, beendete das Gespräch. Als der Hörer auf dem Telefon lag, fiel ihm ein, dass er nicht einmal danach gefragt hatte, welches Fach Frau Maier studierte und im wievielten Semester sie war. Er ärgerte sich, hatte keine Lust, die Unterredung mit dem Exfreund der Frau am Abend abzuwarten, überlegte, ob er nicht doch einen Besuch in Esslingen riskieren sollte. Wenn die Frau wirklich von dem Überfall traumatisiert war, hielt sie sich wohl die meiste Zeit zu Hause auf und verließ die Wohnung nur zu dringenden Anlässen wie etwa zum Einkaufen. Er musste den Kontakt mit ihr suchen, weil er vorläufig wohl nur über sie zu weiteren Informationen über das Aussehen des Täters kam. Ihre kleinste Beobachtung konnte helfen, dessen Bild zu verfeinern. Mit der Graphik, mit der sie bisher auf die vagen Andeutungen Bareiss’ hin an die Medien herangetreten waren, gab es kaum eine Chance, den Kerl aufzufinden, das zeigten die allzu spärlich eingehenden Hinweise zur Genüge. Traf er sie tatsächlich an, konnte er ihr auch den Kontakt mit einer erfahrenen Therapeutin vermitteln, die sich auf die Anordnung des Amts hin noch heute um sie bemühen würde. Er sah, dass es kurz vor 14 Uhr war, und beschloss, es zu riskieren.
     
    Fünfunddreißig Minuten später stand er wieder vor demselben Haus in der Plochinger Straße in Esslingen wie am Abend zuvor. Der Verkehr tobte wie gewohnt in beide Richtungen, machte den Weg zur Haustür zur nervenaufreibenden Qual. Braig hatte Glück. In dem Moment, in dem er das Gebäude erreicht hatte, wurde die Tür geöffnet, und ein älterer Mann trat, einen Hund an der Leine, auf den Gehweg. Der Kommissar murmelte einen kurzen Dank, drückte sich hinter dem ihn misstrauisch beobachtenden Tierfreund ins Innere, stieg die Treppen hoch ins erste Obergeschoss. Der handgeschriebene Name Maier neben der Klingel war kaum zu lesen. Braig drückte auf den Knopf, hörte das melodische Summen. Nichts regte sich. Er läutete ein zweites Mal, wieder vergeblich. Im gleichen Moment trat einen Stock höher jemand ins Treppenhaus.
    Braig machte einen Schritt zur Seite, sah eine ältere, sehr füllige Frau die Stufen herunterkommen. Sie war mit einem dicken, langen Rock und einem Wintermantel bekleidet, trug einen leeren Korb in der Hand. Als sie ihn bemerkte, blieb die Frau mitten auf der Treppe stehen und gaffte ihn mit großen Augen an. »Zu wem wellet Sie?«, rief sie so laut, dass jeder im Haus es gehört haben musste, gleichgültig in welchem Zimmer er sich gerade aufgehalten hatte.
    Braig gab keine Antwort, deutete auf die Tür vor sich.
    »Zum Fräulein Maier«, schallte es durchs Treppenhaus, »macht sie net auf?«
    Er schüttelte den Kopf, ließ die Frau passieren, hatte mehr Glück, als er sich erträumt hatte. Die kräftige Person ließ es dreimal hintereinander läuten, begleitet von einem wahren Trommelwirbel ihrer Fäuste gegen die Wohnungstür Ulrike Maiers und ihrem heftigen Rufen nach der Nachbarin. Keine dreißig Sekunden später wurde die Tür geöffnet.
    Braig sah die Frau vom Vorabend vor sich, mit einem dunklen Hausanzug bekleidet, den Kopf wie nach der Haarwäsche üblich bis auf wenige Gesichtspartien in ein großes Badetuch gehüllt. Die verletzten Hautpartien waren allesamt gut versteckt.
    »Ach, Fräulein Maier, Sie hent Ihr Hoor gwäsche«, tönte die füllige Nachbarin. »Der Mann do will Sie besuche. Kennet Sie den?«
    Braig griff nach seinem Ausweis, wollte sich vorstellen, sah das heftige Abwinken Ulrike Maiers.
    »Ich kenne ihn, ja. Danke.« Sie drückte ihn in ihre Diele, ließ die Tür hinter ihm ins Schloss fallen. »Sie benutzen jeden Trick, sich aufzudrängen, wie?« Ihre Stimme war deutlich von Ärger gezeichnet, der rauchige Unterton nur dezent vorhanden. Sie führte ihn in ihre kleine, unaufgeräumte Küche, wies ihm einen Stuhl an. Teller, Tassen, Tupperschüsseln lagen über die Anrichte verteilt.
    Braig blieb stehen, versuchte, sich zu entschuldigen. »Ich komme als Bittsteller«, sagte er, »ohne Ihre Hilfe finden wir den Kerl nicht, der Sie überfallen hat. Darum geht es, sonst nichts.« Er sah, wie sie ihm widersprechen wollte, fügte schnell hinzu: »Er hat schon mehrere Frauen überfallen. Davon müssen wir jedenfalls ausgehen. Und er wird weitermachen. Bald.«
    Ulrike Maier wich seinem Blick aus, lehnte sich an den Schrank. »Ich habe ihn nicht gesehen«, sagte sie dann laut seufzend, »nicht eine einzige Sekunde. Der kam von hinten, war plötzlich über

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