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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Dritt, tranken dazu, juxten, johlten. So haben sie es erzählt, mehreren Leuten. Warum soll ich es ihnen nicht glauben? Auch Ihre Kollegen, die sie wochenlang vernommen haben, kamen zu diesem Ergebnis. Und das Gericht, nach allen Verhandlungen. Ich habe sie inzwischen persönlich kennengelernt. Auch wenn sie jetzt fünf Jahre weggesperrt wurden, die wahren Täter sitzen nicht hinter Gittern.«
    »Diese Sender, die solche Filme tagein, tagaus auf uns loslassen.«
    Gerwald blieb ruhig.
    »Grauselmaier. Woher kennen Sie ihn?«, fragte Neundorf.
    Der Mann sah überrascht zu ihr her. »Er wurde ermordet, habe ich gelesen.«
    Sie nickte.
    »Mit Säure.«
    »Mit Säure attackiert, dann erschossen. Sie kannten ihn persönlich?«
    »Persönlich? Nein. Ich habe nur immer wieder von seinem unermüdlichen Einsatz für die Freigabe immer neuer privater Sender gelesen. Er saß seit Jahrzehnten als Abgeordneter in verschiedenen Parlamenten und war gleichzeitig Beauftragter dieser Konzerne.«
    Neundorf nickte, erinnerte sich an die Übersicht, die ihr der Kollege Stefan Herb am Vorabend überreicht hatte. »Hier, damit du siehst, für wen der Herr tätig war. Leider nur eine unvollständige Liste.«
    Sie hatte die Blätter, es waren mehrere, nur kurz überflogen, hatte die Sender, in deren Aufsichtsrat Grauselmaier saß oder von denen er offen als Lobbyist bezahlt wurde, gar nicht alle gekannt.
    »So viel zur Unabhängigkeit unserer Abgeordneten und zum Zustand unserer Demokratie«, hatte Herb sich verabschiedet.
    »Und dann habe ich mir eine seiner Wahlreden angehört«, fuhr Heiko Gerwald fort.
    »Wann war das?«
    »Im Sommer, so im Juni oder Juli, ich weiß es nicht mehr genau. In Tübingen. Eine Veranstaltung seiner Partei. Lesen statt glotzen. Damit tingelte er durchs Land. Lesen statt glotzen. Ausgerechnet der.«
    »Waren Sie auch am letzten Freitag bei seinem Vortrag in Köngen?«
    »Wo?«
    »In Köngen. Bei Nürtingen.«
    »Nein. Letzte Woche waren wir mit Julia in Karlsruhe. Bis einschließlich Samstag. Eine neue Therapie. Leider hat sie ihr überhaupt nichts gebracht. Bis jetzt jedenfalls nicht.« Er griff nach den Papieren, die auf dem Tisch lagen, schob sie ihr zu. »Hier sind noch die Unterlagen dazu. Viele schöne Worte und hohle Versprechungen. Und die Krankenkasse wird es wohl auch nicht bezahlen.«
    Neundorf sah seine zitternden Hände, betrachtete die bleiche Haut seiner Wangen, seine schlaffe, nach vorne gebeugte Körperhaltung. Dieser Mann sollte fähig sein, einen anderen zu überfallen, ihm Säure ins Gesicht und auf den Unterleib zu spritzen und ihn dann noch zu erschießen? Sie las die Bestätigung einer auf psychotherapeutische Verfahren spezialisierten Klinik in Karlsruhe, dass Julia Gerwald im Beisein ihrer Eltern vom 4. bis zum 6. Oktober als potenzielle Patientin überprüft und als solche akzeptiert worden war, verzichtete auf jede weitere Nachforschung. Draußen schien die Hohenzollern-Burg einem Märchenschloss gleich vom Boden abzuheben und in den Himmel aufzuragen, auf ihrem dicht bewaldeten, teilweise schon herbstlich gefärbten Bergkegel in der Höhe residierend. Wahrscheinlich waren wieder Hunderte von Neugierigen ausgelassen damit beschäftigt, sich von Preußens Glanz und Gloria am Albrand überwältigen zu lassen. Hier drinnen gab es keinen Anlass für Glanz, auch keinen für Gloria, dieses Haus schien ganz und gar von jedem Glück verlassen.

16.
    Weshalb hatte die Frau gelogen? Warum wollte sie nicht zugeben, überfallen worden zu sein?
    Bareiss war sich absolut sicher gewesen. »Sie ist es. Ich weiß es genau. Diese Frau habe ich Freitagnacht aus den Händen dieses Irren befreit, der wie verrückt auf sie einprügelte. Ich verstehe nicht, weshalb sie uns anlügt. Ich habe sie erkannt. Ohne jeden Zweifel«, hatte er am späten Abend immer wieder erklärt, nachdem ihnen Ulrike Maier entwischt war. »Sie müssen mir glauben.«
    »Ich glaube Ihnen.« Braig war es nicht gelungen, den Mann zu beruhigen. »Ich habe die Verletzungen in ihrem Gesicht gesehen.«
    »Können Sie sie nicht verhaften? Ich meine, einfach aus der Wohnung holen?«
    »Mit welchem Recht? Sie ist das Opfer, nicht der Täter.«
    »Aber es ist doch möglich, dass sie den Täter genauer beschreiben kann, dass sie irgendetwas an dem Kerl bemerkt hat, das hilft, ihn zu identifizieren. Deshalb waren Sie doch hinter der Frau her, oder?«
    Das war der Punkt, wusste Braig. Deshalb hatte er so große Hoffnungen darauf gesetzt, die Frau

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