Schwaben-Herbst
sie das Gelände bereits passiert und bei einem Metallhändler vorgefahren waren. Armaturen, Autoteile, Bauträger lagerten unter einem breiten Wellblechdach, Männer in Arbeitskleidung machten sich daran zu schaffen. Lutz Altmetall stand groß am Eingang. Stöhr stoppte das Fahrzeug, schaltete in den Rückwärtsgang, machte vor der breiten Einfahrt Halt, die zwischen zwei hohen Steinmauern eingelassen war. Offenbachs Gebrauchtwagen war auf einem Schild zu lesen.
Die beiden Beamten verließen das Auto, gingen zum Tor, das aus stabilen, etwa drei Meter hohen Metallstreben bestand, stellten fest, dass es verschlossen war. Auch im Inneren des Geländes schien es ruhig, nirgendwo war jemand zu sehen oder zu hören. Eine Hand voll abgenutzter, teilweise auch stark beschädigter Fahrzeuge, vom Fabrikat her allesamt Daimler, dahinter mehrere Wellblechgaragen und ein unverputzter, vergammelt wirkender einstöckiger Flachdachbau aus roten Klinkersteinen waren zu erkennen.
Offenbachs Gebrauchtwagen, überlegte Braig, alle vom gleichen Hersteller. War das die Erklärung, weshalb der Täter laut Zeugenaussagen einmal in einer A-Klasse, später dann in einer E-Klasse unterwegs gewesen war?
Er suchte vergeblich nach einer Glocke, fand keinen Hinweis, wie man sich hier bemerkbar machen konnte.
»Mhm, Neun Uhr dreißig!«, meinte Stöhr mit einem kritischen Blick auf seine Uhr, »ob da noch jemand in seinem Bett liegt?«
Braig studierte das Kleingedruckte auf dem Firmenschild, sah, dass als Öffnungszeit der Zeitraum von 9 bis 18 Uhr angegeben war. »Eine halbe Stunde zu spät. Ob der sich das leisten kann?« Er ahnte, was das verschlossene Tor bedeuten konnte. Wenn es sich bei Offenbach um den gesuchten Verbrecher handelte, konnte er sich natürlich selbst auf dem für andere vielleicht vagen, für ihn selbst jedoch recht charakteristischen Fahndungsbild erkannt und deshalb längst das Weite gesucht haben. Vielleicht schon am Sonntag, unmittelbar nach Erscheinen der ersten Veröffentlichungen.
Er gab die auf dem Firmenschild ausgedruckte Nummer in sein Mobiltelefon ein, hörte eine schwäbisch sprechende männliche Stimme auf dem Anrufbeantworter darauf hinweisen, dass es dem Firmenchef im Moment leider nicht möglich war, ans Telefon zu kommen, der Anrufer aber zwecks Rückrufs seine Nummer und sein Anliegen hinterlassen solle, steckte das Handy weg.
»Wissen wir, wo der Mann wohnt?«
Braig schüttelte den Kopf. »Ich bekam die Information über ihn erst heute Morgen. Vielleicht weiß einer der Nachbarn Bescheid.« Er zeigte auf den Metallhandel. »Wir müssen es versuchen.«
Sie folgten der Mauer bis zur offenen Einfahrt des Metallhändlers, sprachen den ersten Mann, der ihnen auf dem weiträumigen Gelände begegnete, an. »Entschuldigen Sie bitte, kennen Sie Ihren Nachbarn, Herrn Offenbach?«
Der auffallend fettleibige Arbeiter wischte sich seine von Ölschlieren verschmutzten Hände an den Hosen ab, schaute Braig fragend an. »Offenbach? Was weiß ich? Fragen Sie den alten Lutz.« Er deutete auf einen großen Wohnwagen, der hinter dem Armaturenhügel zu sehen war.
Braig nickte, schaute verärgert zum Himmel, weil er einzelne Regentropfen spürte. Der gesamte Horizont war von einem undurchdringlichen Einheitsgrau überzogen. Ob es bei der geringen Niederschlagsmenge blieb? Äußerst fraglich.
Sie hatten den Wohnwagen fast erreicht, als ein kräftiger Mann um die Fünfzig, eine qualmende Zigarette im Mund daraus hervorstürmte. »Dreißig«, brüllte er mit kräftiger Stimme, »Roland, dreißig.«
Die Antwort folgte innerhalb weniger Sekunden. »Leck mich am Arsch mit dem Scheiß.«
Braig blieb stehen, nannte seinen Namen. »Wir wollten zu Herrn Offenbach«, fügte er hinzu.
»Er ist noch nicht da?«
»Nein. Kann es sein, dass er erst später kommt?«
Der Mann nahm die Zigarette aus dem Mund, streckte sie von sich, starrte in die Richtung des Autohändlers. Ein hoher Maschendrahtzaun riegelte die beiden Gelände voneinander ab. »Na ja, Kai nimmt das nicht so genau.« Er überlegte, schaute auf seine Uhr. »Obwohl, halb Zehn vorbei.«
Plötzlich fing es kräftig an zu regnen.
»Verdammter Mist«, fluchte er, wandte sich um, sprang zu seinem Wohnwagen. Er öffnete die Tür, rettete sich ins Trockene. »Sie wollen einen Wagen kaufen?«
Braig hatte keine Lust auf lange Erklärungen, nickte.
»Haben Sie seine Privatnummer oder Adresse?«
»Er wohnt in Ruit«, antwortete der Mann, »Hedelfinger Straße. Er hatte
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