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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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in Parallelität zu stellen, eine zusätzliche Biographie auszuarbeiten. Wo, um alles in der Welt, gab es den gemeinsamen Punkt, wo, in welcher Person, liefen die drei so völlig verschiedenen Lebensbahnen aufeinander zu, wo berührten sie sich – vielleicht auch nur für einen winzigen Moment? Ein Politiker, ein Schachspieler, ein Autohändler, welche Person kannten sie alle drei, was hatten sie getan, wen derart provoziert, wessen Zorn derart erregt, dass sie jetzt, einer nach dem anderen, niedergemetzelt worden waren? Wessen Existenz hatten alle drei Männer, vielleicht nicht einmal zur gleichen Zeit, sondern irgendwann, im Verlauf der letzten Jahre, derart gefährdet, wem einen solchen Schaden zugefügt, dass diese schreckliche Reaktion daraus entsprungen war? Hätte es Offenbach als ersten erwischt, war es Neundorf durch den Kopf gegangen, wäre sie fast geneigt gewesen, auf eine Frau als Täter zu tippen. Säure auf den Unterleib – trug diese Attacke nicht symbolische Charakterzüge? Und war jetzt an Offenbach, der über Wochen hinweg unzähligen Frauen übelste Gewalt angetan hatte, Vergeltung verübt worden?
    »Und wenn es sich um einen Verrückten handelt?«, hatte Felsentretter gefragt, angeödet von ihrem langwierigen, mühsamen Zusammensuchen der einzelnen Puzzleteile. »Wenn wir es mit einem Irren zu tun haben, der einfach ab und an irgendjemand ins Jenseits schickt?«
    »Immer auf dieselbe Tour?«, hatte Neundorf geantwortet.
    »Warum denn nicht? Der Kerl findet seinen Spaß daran, zu verfolgen, wie sich die Medien an seinen Aktionen aufgeilen. Immer, wenn ihm danach ist, sucht er sich ein neues Opfer.«
    »Völlig willkürlich?«
    Felsentretter war in ein hysterisches Lachen verfallen, hatte mit der Faust auf Neundorfs Schreibtisch gedonnert. »Genau das. Völlig willkürlich. Die Zeitungen, das Fernsehen, die Radiosender überschlagen sich doch alle in Vermutungen, Spekulationen, Überlegungen nach der Gemeinsamkeit der Opfer. Dabei ist das der Gag: Es gibt sie nicht! Sie haben nichts gemeinsam. Überhaupt nichts. Er hat sie völlig willkürlich gewählt. Mal den, mal den, dann wieder den. Nach Lust und Laune. Und wir hocken wochenlang hier und reißen uns die Ärsche auf, um nach dem gemeinsamen Nenner zu suchen!«
    »Das glaubst du doch selbst nicht!«
    »Das glaube ich selbst nicht? Warum denn nicht? Was auf diesem beschissenen Erdball ist denn so absurd, dass es noch nicht passiert wäre? Die einen Idioten kleben sich Sprengstoff auf den Bauch, stellen sich als lebende Bombe auf den Markt, jagen sich selbst mit der Genugtuung in die Luft, unzählige Unschuldige mit in den Tod zu reißen … Andere entwickeln Minen, die Steinen, Pflanzen oder gar Tieren so verblüffend ähnlich sehen, dass kein Arsch sie voneinander unterscheiden kann. Warum soll es da nicht möglich sein, dass ein Verrückter, irgendein vom Leben vermeintlich benachteiligter oder enttäuschter Vollidiot sich damit Befriedigung verschafft, dass er wahllos auf Leute ballert und ihnen vorher noch eine Ladung Säure in die Visage und auf die Eier knallt …«
    »Darüber darfst du nicht einmal im Schlaf nachdenken«, hatte Neundorf erwidert, »das wäre der absolute Alptraum. Wenn es diesen Verrückten wirklich gäbe, hätten wir ihn in zehn Jahren noch nicht erwischt. Dann können wir unsere Arbeit hier liegen lassen und nach Hause gehen, weil ohnehin alles für die Katz ist.«
    »Und darauf warten, bis sie irgendwo die nächste Leiche finden. Von Säure zerfressen und von Kugeln durchsiebt. Ich frage mich nur, wie lange es noch dauert, bis die neue Meldung einläuft.«
    Felsentretter war wutentbrannt aus Neundorfs Büro gestürmt, hatte die Tür hinter sich zugefeuert.
    Der Anruf ihres Lebensgefährten war genau zur richtigen Zeit erfolgt, hatte jeden Ansatz einer Missstimmung im Keim erstickt.
    »Du sprichst mit einem Menschen, der sich richtig gut fühlt«, erklärte Thomas Weiss. »Ich hoffe, dass dieser Zustand ansteckend wirkt.«
    »Dein Artikel ist fertig.«
    »Richtig. Sophie und Hans Scholl. Du hast den Stein von meinem Herzen fallen hören?«
    »Beinahe hätte er mich zertrümmert.«
    »Oh nein. Felsentretter.«
    »Genau der.«
    »Wie steht es mit euren Ermittlungen?«
    »Nichts Neues«, sagte sie. »Wir finden einfach keinen gemeinsamen Punkt. Ich weiß nicht, was die miteinander zu tun haben sollen. Das sind drei völlig verschiedene Männer. Was hat ein junger, zurückgezogen lebender Student mit einem alten

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