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Schwaben-Herbst

Schwaben-Herbst

Titel: Schwaben-Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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mitgebracht und ihm hingestreckt. »Sie sind doch wirklich verrückt. Irmela und Christian waren bei uns. Von Acht bis kurz vor Mitternacht. Hier, rufen Sie an und überzeugen Sie sich selbst. Familie Bögle, sie wohnen drei Häuser weiter!«

2.
    Jetzt wurde die Sache aber doch immer unübersichtlicher. Kai Offenbach – ein Autohändler.
    Wieso jetzt der?
    Die Zeitungen waren voll davon. Einen Irrtum konnte es nicht geben. Säure ins Gesicht und auf den Unterleib – wie bei Sattler und dem Politiker. Danach die tödlichen Schüsse, genau wie bei den vorherigen Opfern. Dieselbe Waffe, derselbe Täter.
    Die Polizei war sich absolut sicher, den Berichten der Presse nach gab es nicht den Hauch eines Zweifels.
    Oder führten sie die Öffentlichkeit bewusst irre? Um den Täter zu verunsichern, ihm auf diese Weise auf die Spur zu kommen?
    Nein, das war unmöglich. Nicht, nachdem er diese Augen gesehen hatte. Diese Augen wenige Minuten danach. Augen voller Wut, Hass und dem Wunsch nach Vergeltung.
    Wenn es jetzt diesen Offenbach erwischt hatte – ganz auf die gleiche Art und Weise – dann gab es dafür nur eine Erklärung: Sattler und er waren nicht die einzigen, die die Situation ausgenützt hatten. Der Politiker und der Autohändler hatten sich angeschlossen, wie auch immer sie dazu gekommen waren. Als Teilnehmer des Festes vielleicht? Er konnte sich zwar nicht an sie erinnern, aber das hatte nichts zu bedeuten. Der Rummel war zu groß gewesen, das halbe Dorf, nein, das halbe Tal, auch mehrere Nachbardörfer völlig außer Rand und Band. Wie jedes Jahr um diese Zeit.
    Das war die einzige Erklärung. Die einzige Möglichkeit, den Tod des Politikers und des Autohändlers zu verstehen. Die beiden Männer hatten die Situation ausgenutzt, Sattler und ihn imitiert – ohne es zu wissen.
    Somit war es weiterhin nur eine Frage der Zeit, wann die Reihe an ihn kam. Wann endlich, um es deutlicher zu sagen. Er war davon überzeugt, spürte es physisch, wusste es mit allen Sinnen, dass es auch ihn treffen würde. Sollte, nicht würde.
    Offensichtlich war er der Einzige, der damit rechnete. Der Einzige, der sich darauf vorbereitet hatte, der versuchte, den aktiven, nicht den passiven Part zu spielen. Deshalb war er hier, deshalb hatte er Hals über Kopf seine Wohnung verlassen, den Scheiß-Job hingeworfen, der ihn ohnehin nervte, die primitive Hütte bezogen, ein Leben begonnen, das so nicht lange weitergehen konnte!
    Keine Nacht mit ausreichend Schlaf, kein Tag mit normalem Essen, kein Kontakt mit Freunden – nur das Warten, das Spähen, das Beobachten und immer die Angst. Die Angst, den entscheidenden Moment zu verpassen, das Auftauchen des Gegners zu spät zu bemerken, den Moment des Angriffs zu verschlafen …
    Und, immer deutlicher die Frage: War er dieser Bestie, die offensichtlich Rechnung auf Rechnung beglich, wirklich gewachsen? Musste er seinen Plan, seine Strategie nicht doch noch einmal überdenken? Hatte er in der Hektik der letzten Wochen nicht irgendeine scheinbar belanglose Kleinigkeit, einen im Endeffekt aber entscheidenden Punkt übersehen? War es auch wirklich richtig, so unverblümt die Offensive zu suchen?
    Er hatte Mühe, sich zurückzunehmen und Ruhe zu finden. Wann, verdammt noch mal, wann endlich würde die Sache zu ihrem Ende kommen?
    Lange, das spürte er immer mehr, konnte er es nicht mehr durchhalten, lange war dieser Zustand völliger Ungewissheit nicht mehr zu ertragen.

3.
    Zehn Tage hatten sie benötigt, einen minutiösen Tagesablauf der letzten beiden Jahre der Ermordeten zu erstellen. Zehn Tage, nachdem der Oberstaatsanwalt die Sonderkommission zur Klärung des Todes von Martin Grauselmaier und Andreas Sattler in die Wege geleitet hatte. Stunde um Stunde hatten sie daran gearbeitet, einem Puzzle gleich mittels Befragung der Angehörigen und der Auswertung schriftlich hinterlassener Belege eine möglichst detaillierte Übersicht zu kreieren: Wo waren die beiden Männer an welchem Tag, zu welcher Stunde, womit waren sie beschäftigt, mit wem hatten sie Kontakt – und vor allem: Wer war die Person, die beide Männer getroffen hatte, mit beiden in Verbindung getreten war? Wo war der Moment, wo der Ort, wann der Termin, an dem sie aufeinander getroffen, irgendeine gemeinsame Aktivität unternommen hatten?
    So langwierig, mühsam, unendlich zeitraubend dieses Unterfangen war, mit dem Tod Offenbachs hatte sich die Aufgabe weiter verschärft. Ein neues Leben war zu überprüfen, ein weiterer Lebenslauf

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