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Schwaben-Liebe

Schwaben-Liebe

Titel: Schwaben-Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Loser!«
    Lautes Johlen setzte ein.
    Tanja Geible schob sich an den ausgelassen ihre Lebenslust zelebrierenden Mädchen vorbei, erreichte den Bahnsteig in dem Moment, als der Zug gerade einfuhr. Etwa zwei Dutzend Reisende warteten darauf einzusteigen. Sie musterte die Gesichter, konnte keines identifizieren. War
er
schon im Zug?
    Sie beeilte sich, weiter nach hinten zu gelangen, hörte die laute Aufforderung, einzusteigen. Im gleichen Moment hatte sie seine Stimme in der Leitung.
    »Und? Bist du im Zug?«
    Sie nahm die nächstbeste Tür, kletterte die Stufe hoch, betrat den Wagen. »In diesem Moment, ja«, bestätigte sie. Der Großraum war gut besetzt, mehrere Frauen und Männer auf die verschiedenen Sitzgruppen verteilt.
    »Du bist im letzten Wagen?«
    Sie schaute durch die Tür, sah, dass weitere Abteile folgten. »Noch nicht«, antwortete sie.
    »Dann wird es höchste Zeit.«
    Sie merkte, dass sich der Zug in Bewegung setzte, beeilte sich, den letzten Wagen zu erreichen. Ein einzelner Mann saß gleich in der ersten Sitzreihe. Er döste mit verschlossenen Augen vor sich hin. Für den Moment einer Sekunde blieb sie stehen, musterte ihn, lief weiter. Nein, er war es nicht, unmöglich. Selbst wenn er sich verkleidet haben sollte, um nicht erkannt zu werden, so sehr konnte sich ein Mensch nicht verändern. Der da in der ersten Reihe war viel zu alt und zu dick.
    Sie folgte dem letzten Wagen bis ans Ende, sah nur leere Bänke. Kein einziger Reisender mehr.
    »Und? Wo bist du jetzt?«, hörte sie aus dem Handy.
    »Am Ende des Zuges. Es tut mir leid, ich kann Sie nicht finden.«
    »Das ist kein Problem. Der letzte Wagen ist leer?«
    »Ja, bis auf einen Mann gleich in der ersten Sitzreihe.«
    »Dann nimm Platz. Ganz am Ende des Wagens. In Fahrtrichtung rechts.«
    »In Fahrtrichtung rechts? Wieso?«
    »Such dir einfach einen Platz in Fahrtrichtung rechts. Am Ende des Wagens.«
    Sie folgte seinen Worten, ließ sich in der letzten Sitzgruppe nieder. Der Zug fuhr in flottem Tempo durch die Nacht. Sie schaute zum Fenster, betrachtete die ängstliche, mit eingezogenen Schulter nach vorne gebeugte Gestalt, die sich darin spiegelte. Bin das wirklich ich? Was ist nur aus mir geworden? Eine einzige dumme Nacht, eine falsche Entscheidung …
    »So. Gleich sind wir in Gaildorf.«
    Erschrocken starrte sie zum Handy. »Gaildorf?«
    »In zwei, drei Minuten, ja.«
    »Und dort steigen Sie zu?«
    »Ich gebe dir Bescheid, mein Schatz. Nur keine Angst, wir finden schon zueinander.«
    Im gleichen Moment hörte sie die Stimme des Zugführers, der die Ankunft des Zuges in Gaildorf bestätigte. Sie starrte nach vorne zur Tür, spürte, wie sich die Geschwindigkeit verringerte, sah einzelne Lichter aus dem Dunkel tauchen. Ob er jetzt erst zustieg?
    »Das Fenster«, hörte sie seine Stimme aus dem Handy, »du kannst es öffnen?«
    Sie schaute unsicher nach oben. »Wieso? Ich habe es noch nicht versucht.«
    »Dann wird es höchste Zeit. Du sitzt in einem der alten Wagen, in dem sich die Fenster noch öffnen lassen. Es sei denn, es ist zufällig verklemmt.«
    Sie richtete sich auf, umklammerte die beiden Haltegriffe, zog daran. Das Fenster gab sofort nach. Rabenschwarze Nacht vor Augen spürte sie den kalten Fahrtwind. Sie versuchte, etwas zu erkennen, sah nur die schemenhaften Umrisse eines bewaldeten Berges vor sich. Zum Glück verlor der Zug rasant an Fahrt. Sie merkte, dass sich die Lichter des Bahnhofs auf der anderen Seite befanden, schloss das Fenster wieder, setzte sich auf ihren Platz.
    »Du hast es ausprobiert.«
    »Es lässt sich öffnen«, bestätigte sie. »Aber ich glaube, der Bahnsteig ist auf der anderen Seite. Wenn ich Ihnen das Geld nach draußen reichen soll …«
    »Nur langsam. Er fährt gleich weiter.«
    Der Zug kam vollends zum Halten. Sie starrte durch die Tür nach vorne, sah, dass ein paar Leute zustiegen und sich in den vorderen Wagen niederließen, hörte wieder seine Stimme.
    »So. Jetzt ist es gleich so weit. Du hast das Paket mit dem Geld bereit.«
    »Ja, natürlich«, erklärte sie. »Sind Sie jetzt erst zugestiegen?«
    »So etwa, ja.«
    Sie spürte, wie sich der Zug wieder in Bewegung setzte. Die Bahnsteiglampen huschten in immer schnellerem Tempo draußen vorbei.
    »Jetzt kommt der Tunnel«, sagte er, Sekunden bevor der Berg den Zug verschluckte. Die Fahrgeräusche wurden schlagartig lauter, die Handyverbindung schien unterbrochen. Sie schaute nach vorne, wartete, dass er sich aus einem der vorderen Wagen näherte,

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