Schwaben-Liebe
wieder sein hämisches Grinsen. »Danke, ich bin seit über zehn Jahren verheiratet.«
Braig fühlte sich überrumpelt. Dass Hessler angeblich auch Prostituierte vermittelte, in welcher Weise auch immer, war ihm neu. Das warf ein völlig anderes Licht auf die Agentur, brachte auch ganz andere Hintergründe für das Verbrechen ins Spiel. Sofern das wirklich stimmte und der Widerling hier ihn nicht nach Strich und Faden vorführte. »Was haben Sie zu kritisieren?«, fragte er. »Waren Sie mit der Dienstleistung der Frau nicht zufrieden?«
»Mit der Dienstleistung …« Dr. Krancik lachte laut. »Haha, junger Mann, ich bemerkte es ja schon: Sie haben wirklich Humor.« Er schlug sich mit der flachen Hand aufs Knie. »Nein, also wirklich, da gibt es nichts auszusetzen. Die Frau brachte es wirklich voll. Darf ich Ihnen ihre Adresse mitgeben?« Er lachte schallend. »Obwohl, Sie mit Ihrem Polizistengehalt …«
»Was Sie zu beanstanden hatten, möchte ich wissen.«
Für den Moment weniger Sekunden verlor der Mann die Kontrolle über sich. Sogar das widerliche Grinsen verschwand für kurze Zeit aus seiner Miene. »Ich buchte eine Nutte«, brüllte er urplötzlich los, »aber nicht, um mit ihr ins Fernsehen zu kommen. Wie oft soll ich das noch wiederholen?« Im gleichen Moment hatte er sich wieder im Griff.
»Ins Fernsehen?«
»Ins Fernsehen«, wiederholte der Unternehmensberater mit gedämpfter Stimmlage und dem gewohnten jovialen Grinsen. »Dabei hatte Hessler mir äußerste Diskretion versprochen. Was ich auch verlangen konnte für diesen Preis.«
»Und weshalb kamen Sie ins Fernsehen?«
»Weil die Nachbarn in dieser piekfeinen Stuttgarter Halbhöhenlage zu dem Zeitpunkt offensichtlich mitbekommen hatten, welcher Profession verschiedene Damen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft nachgehen. Und das erboste einige dieser hysterischen Millionärinnen dermaßen, dass sie sowohl Ihre Kollegen als auch die Journaille alarmierten. Da fanden sich schnell ein paar sensationsgeile Fernsehfritzen und schon war die Sache geritzt. Die standen mit ihren Kameras vor der Villa und hielten ihre Objektive auf die Tür.«
»Und Sie waren gerade dort zugange?«, fragte Braig, seine Schadenfreude nur mühsam unterdrückend.
»Hessler hatte mir versprochen, dass das absolut diskret ablaufen würde. Nichts von wegen Puff und so. Und dann komme ich aus dem Haus und sehe die Kameras auf mich gerichtet.«
»Warum haben Sie die Aufnahmen nicht untersagt? Nach den Datenschutzrichtlinien …«
Dr. Krancik fiel ihm mitten ins Wort. »Ersparen Sie sich doch Ihre altklugen Weisheiten. Datenschutz! Glauben Sie, ich hätte das nicht sofort ins Spiel gebracht? Natürlich zeigten die auf der Stelle Einverständnis. Halten mit der Kamera voll auf einen drauf und legen dann einen durchsichtigen Grauschleier wie einen Heiligenschein über den Kopf, während alles andere voll sichtbar bleibt. Und dann auf in die Landesnachrichten und den Film alle zwei Stunden ausgestrahlt, bis auch der letzte Idiot begriffen hat, wer da aus dem Nuttenbunker davonstürmt. Hesslers Versprechungen zufolge arbeiten seine Damen mit äußerster Diskretion, die halbe Nation konnte sich an dem Tag via Mattscheibe davon überzeugen.«
»Sie glauben, Sie wurden erkannt?«
»Ob ich das glaube?« Für den Augenblick einer Sekunde erstarb das Grinsen in Kranciks Miene. »Fragen Sie doch besser, ob es einen einzigen Moment in den nächsten Wochen und Monaten gab, in dem nicht sofort getuschelt und anzüglich gegrinst wurde, wenn ich auftauchte. Und wie oft meine Frau gefragt wurde, ob ich es jedes Mal, wenn ich nach Stuttgart fahre, mit Nutten treibe.«
»Na ja, dann hatten Sie ja allen Grund, mit Hessler abzurechnen.«
»Das hätten Sie wohl gerne, ja?« Das in Stein gemeißelte Grinsen des Mannes war nur deshalb zu ertragen, weil in Braig die reine Schadenfreude tobte. »Tut mir leid, Sie müssen sich ein anderes Opfer suchen. Andere Väter haben ebenfalls hübsche Töchter, nicht wahr?« Er zog seine goldene Uhr vor, tippte mit dem Zeigefinger auf ihr Zifferblatt. »Die zwanzig Minuten sind um, junger Mann. Ich muss mich leider verabschieden. Mein nächster Termin. Sie wissen Bescheid.«
Oh ja, überlegte der Kommissar, die Szene vor Augen, in der der arrogante Kerl aus der Nuttenvilla direkt ins gleißende Licht der Fernsehkameras stürmte. Schade, dass er das nicht hatte sehen können. Vielleicht gab es eine Aufzeichnung davon. Er musste sich bei unseren Technikern
Weitere Kostenlose Bücher