Schwaben-Liebe
ihrer Nachbarin.
»Und überhaupt, ohne Abschiedskuss kommst du uns nicht davon, was, Mädels?«, hörte er von der anderen Seite her.
Plötzlich begann die ganze Gruppe zu lachen und zu schreien, und eine Frau nach der anderen setzte sich in Bewegung, direkt auf die Person in ihrer Mitte zu.
Braig kam nicht weiter, blieb mitten in dem wogenden Gewühl stecken. Eine Duftwolke süßen Parfüms hing in der Luft, um ihn herum gurrte und kicherte es wie im Pausenraum eines Mädcheninternats. Er sah auf, merkte wie aufgetakelt all die jungen Frauen um ihn herum waren – üppig geschminkte Gesichter, hautenge, farbige Blusen, knallig schmale Beine, detailliert modellierende Jeans – entdeckte die Gestalt eines großen, athletisch gebauten Mannes unmittelbar vor den Tischen, dem die Annäherungsversuche der aufgeregten Schar galten. Braig erkannte ihn auf der Stelle. Gerd Weissmann, Hesslers Traum-Modell, genau wie er auf dessen Werbeprospekt abgebildet war.
Er kämpfte sich mühsam durch die unablässig kichernde Schar der jungen Frauen, sah, wie eine nach der anderen Weissmann links und rechts einen Kuss auf die Wange drückte und dann wie in Trance zur Seite abtauchte. Das Objekt ihrer Begierde schien sich nicht gegen die Liebesbekundungen zu wehren; den Kopf nach vorne gebeugt nahm er die zärtlichen Lippenkontakte seiner Verehrerinnen entgegen. Braig hatte ihn fast erreicht, als die Aktion endlich ein Ende fand.
»Mädels, ich bedanke mich tausend Mal, bis dann!«, erklärte der Hüne mit sonorer Stimme, winkte den jungen Frauen freundlich lächelnd und wandte sich dann dem Eingang des Museums zu.
»Herr Weissmann!« Braig hatte Mühe, das erneut einsetzende Kichern zu übertönen. Er folgte dem Mann an den Tischen vorbei, erreichte ihn gerade noch an der Tür.
»Ja, bitte?«
Braig wies sich aus, musterte die Miene seines Gegenüber. Kein Wunder, dass die so hysterisch reagierten, schoss es ihm mit einem Anflug von Eifersucht durch den Kopf, bei dem stimmte einfach alles. Ein großer, blonder, athletisch wirkender Typ um die Vierzig mit einem schmalen, von einem männlich-markanten Kinn geprägten Gesicht, genau wie er auf dem Prospekt abgelichtet war. Dazu die angenehm sonore Stimme und das charmante Auftreten des Mannes, das er gerade selbst beobachtet hatte ...
»Ah, Sie sind der Herr Kommissar?« Weissmann reichte ihm die Rechte, ließ einen kräftigen Händedruck spüren. »Dann treffen wir uns ja pünktlich, prima.«
Braig nickte, bemerkte die Unruhe, die um sie herum aufkam. Eine Gruppe modisch gekleideter Frauen mittleren Alters näherte sich heftig miteinander tuschelnd dem Museum, Prospekte mit den dort ausgestellten Exponaten in den Händen. Ihrer Blickrichtung nach zu urteilen zielte ihr Interesse jedoch weniger auf die von den Kuratoren des Museums ausgewählten, Aufsehen erregenden Kunstwerke, es galt vielmehr einem höchst lebendigen Objekt unmittelbar vor ihm.
»Suchen wir uns hier einen Platz?«, fragte Braig.
Obwohl die Besucherinnen des Museums um einiges reifer und gesetzter wirkten als die Girlies draußen fürchtete Braig eine Wiederholung der gerade erlebten Zeremonie. Sein Gegenüber schien auf Frauen jeden Alters und jeder Couleur derart magische Kräfte auszuüben, dass sich deren Konzentration nur noch auf ihn zu richten vermochte. Umso dankbarer nahm er Weissmanns Bereitschaft wahr, sich nach einem Platz umzusehen.
»Gerne«, erklärte der Mann. »Dann können wir unser Gespräch zügig beginnen. Ich habe Ihnen ja erzählt, dass ich um Viertel nach fünf zu einem Rendezvous verabredet bin, das mir sehr viel bedeutet.«
Braig begleitete ihn quer durch die Tischreihen, sah die Enttäuschung, die sich auf den Gesichtern im Eingangsbereich des Museums breitmachte. Tut mir leid, Mädels, überlegte er, aber für ein paar Minuten müsst ihr mir den Mann jetzt schon überlassen.
»Sie kommen vom LKA.« Sein Begleiter war mitten zwischen den Tischen stehen geblieben, hatte zwei älteren Damen, die ihnen entgegenkamen, höflich Platz gemacht und sie begrüßt. Die beiden Frauen bedachten ihn mit überschwänglichem Lob.
Braig bestätigte die Feststellung seines Gesprächspartners.
»Dann kennen Sie sicher Frau Neundorf.«
»Sie ist meine Kollegin, ja.«
»Richten Sie ihr bitte meine Grüße aus. Wir hatten letztes Jahr eine interessante Unterhaltung.«
Braig musterte seinen Begleiter, wunderte sich über seine Ausdrucksweise. Neundorf hatte Weissmann als Tatverdächtigen in
Weitere Kostenlose Bücher