Schwaben-Liebe
einem Mordfall aufgesucht, nicht um sich mit ihm zu unterhalten. »Nächste Woche sehe ich sie wieder. Sie war zehn Monate als Dozentin an der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen tätig.«
»Ah, sie liebt die Abwechslung. Eine scharfsinnige Frau, Ihre Kollegin.«
Sie liefen auf den einzigen freien Tisch zu, schauten sich um. Der Schlossplatz lag direkt vor ihnen. Seit seiner Eröffnung galt das Museum mit dem Café als besondere Attraktion der Landeshauptstadt, bot es doch mit seiner komplett verglasten Fassade einen prächtigen Ausblick auf das Neue Schloss mitsamt seiner Umgebung. Kein Wunder, dass die Köpfe aller Besucher stets dorthin orientiert waren – Braig hatte es nie anders erlebt, war selbst bei jedem Aufenthalt hier aufs Neue vom Blick auf die gute Stube Stuttgarts überwältigt. Heute allerdings schienen die alten Gesetze außer Kraft gesetzt.
Sie hatten ihre Plätze noch nicht erreicht, als sie bereits die Aufmerksamkeit der meisten anderen Gäste auf sich gerichtet sahen. Unverhohlene Neugier, dazu Bewunderung in den Augen der Frauen um sie herum, als Weissmann zwischen den Tischen hindurchlief. Für den Moment einer Sekunde schienen die Gespräche zu stocken, allein der Lärm der zahlreichen in der Fußgängerzone dahinschlendernden Menschen war zu hören. Braig glaubte, die Luft anhalten zu müssen, um die Stille nicht zu stören, war dankbar, als die normale Geräuschkulisse langsam wieder einsetzte.
Sie nahmen Platz, rückten ihre Stühle zurecht. »Tobias Hessler«, sagte Braig. »Sie kennen den Mann?«
»Oh mein Gott, ja.« Sein Gegenüber nickte bestätigend. »Er wurde ermordet, richtig?«
»Richtig. Und Sie hatten Streit mit ihm.«
»Streit?« Der Mann schüttelte den Kopf. »Sie sprechen von seinem Prospekt?«
Die junge Bedienung kam, eine reizende, freundlich lächelnde Frau, verschlang Weissmann mit ihren Blicken. »Ähm, darf ich Ihnen ...« Sie kam ins Stottern, lief rot an. »Ich meine, falls Sie einen Wunsch haben?«
Der Angebetete hielt inne, bat um ein Wasser, wartete, bis Braig sich seinem Wunsch angeschlossen hatte.
»Dann also, äh, Wasser. Zwei Wasser.« Die junge Frau hatte Mühe, die Bestellung korrekt aufzunehmen, verbeugte sich, versuchte, den Blick von Weissmann zu lösen.
»Zwei Wasser, ja«, bestätigte er.
Sie nickte ihm übers ganze Gesicht strahlend zu, trat einen Schritt zurück, setzte sich dann stolpernd in Bewegung.
»Wir sprachen von Herrn Hesslers Prospekt«, versuchte Braig wieder zu seinem zentralen Anliegen zu kommen.
»Ja, ich verstehe. Er hatte die verrückte Idee, mich auf die Titelseite zu setzen. In Verbindung mit seiner Kontakt-Anbahnung. Das war mir doch etwas zu heftig.«
»Sie haben ihm untersagt, Ihr Bild zu benutzen.«
»Ja, ich wollte es nicht. Werbe-Modell für eine Kontakt-Agentur. Sie sind ein attraktiver Mann. Hätten Sie Lust dazu?«
»Ich?« Braig wehrte laut lachend ab. »Danke für den Vorschlag und das Kompliment. Aber wenn wir hier von attraktiv reden ...«
Die junge Bedienung kam, brachte zwei Gläser Wasser. Sie nahm Weissmann ins Visier, wusste nicht, wo sie die Gläser abstellen sollte, war dankbar für die Hilfe des Mannes. Er nahm beide entgegen, sprach ihr seine Anerkennung für den schnellen Service und ihre bezaubernde Erscheinung aus. Sie nickte eifrig, eilte erst nach mehreren Sekunden zum nächsten Tisch.
»Dummerweise war Hessler aber nicht bereit, auf Ihr Porträt zu verzichten«, fuhr Braig fort.
»Nicht bereit?« Weissmann hatte beide Gläser auf dem Tisch platziert, blickte fragend zu seinem Gesprächspartner. »Wie meinen Sie das?«
»Na ja, er bestand darauf, es trotz Ihrer abwehrenden Haltung zu verwenden.«
»Das verstehe ich nicht. Ich war bei ihm in seiner Agentur und machte ihm meinen Standpunkt klar. Zwei Mal. Damit war für mich die Sache gelaufen.«
»Sie waren nicht wütend, weil er nicht nachgeben wollte?«
»Wütend, was heißt wütend. Ich denke, nach unserem zweiten Gespräch war die Sache endgültig klar. Auch für ihn.« Er hielt inne, trank von dem Wasser, setzte es dann wieder ab. »Sie glauben doch nicht etwa, ich hätte mit seinem Tod ... Nein, nicht wirklich, oder?«
Braig spürte selbst, wie absurd der Gedanke war. Nur weil Hessler partout darauf beharrte, das Foto des Mannes für seinen Prospekt zu verwenden, sollte der kein anderes Mittel gefunden haben, ihn davon abzubringen? Nein, er fand die Überlegung inzwischen selbst vollkommen daneben. Um ganz sicher zu
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