Schwaben-Liebe
Sache selbst in die Hand nehmen, genau so, wie sie es beruflich gewohnt war.
Carolin Köhler griff nach ihren Zigaretten, öffnete die Tür zur Terrasse, lehnte sich draußen mit dem Rücken an die von der Frühlingssonne noch warme Wand. In den Hecken vor ihr schmetterten Amseln und Finken ihre späten Lieder. Sie zündete eine Zigarette an, inhalierte ihren Rauch, versuchte sich zu konzentrieren.
Vierzig Minuten später hatte sie sich die Strategie ihres Vorgehens bis ins Detail zurechtgelegt.
17. Kapitel
September
Nach seinem Gespräch mit Emilia Widenoff hatte Braig Mühe, den von ihm selbst festgelegten Besprechungstermin um 16 Uhr im Amt pünktlich wahrzunehmen. Er wechselte in Degerloch vom Bus in die Stadtbahn, erreichte kurz vor vier den Augsburger Platz. Jacqueline Stührer und Mario Aupperle warteten bereits vor seinem Büro, als er schwer atmend die Treppen hochgestürmt kam.
»Tut mir leid«, entschuldigte er sich, »ich hatte ein wichtiges Gespräch.«
Aupperle schien das Warten überhaupt nichts ausgemacht zu haben. Er lehnte unmittelbar neben seiner Kollegin an der Wand, verfolgte mit lässiger Körperhaltung Braigs Ankunft. »Kein Problem, Kollege. Wir haben es gemütlich hier, wie, Jacqui?«
Die junge Frau verzog keine Miene, warf ihre lange, rabenschwarze Mähne zurück.
»Gemütlich? Hier im Flur?« Braig runzelte die Stirn.
»Na ja, bei dir in deinem wunderschönen Büro ist es natürlich tausend Mal gemütlicher«, frozzelte Aupperle.
Der Kommissar musterte seinen Kollegen, wunderte sich über sein Verhalten. »Heute sind wir aber cool, was?«, kommentierte er grinsend.
Der junge Mann errötete kaum merklich. »Sind wir doch immer, oder, Jacqui?«
Braig räumte seinen Schreibtisch frei, schob die Stühle zurecht. »Ihr müsst entschuldigen, aber ich kann euch nichts anbieten. Um 17 Uhr habe ich noch einen Termin. In der Innenstadt im Kunstmuseum. Den will ich unbedingt wahrnehmen. Der Mann ist morgen auf Geschäftsreise.«
Unmittelbar nachdem er die junge Frau in Hoffeld verlassen hatte, war es ihm per Handy gelungen, ein persönliches Gespräch mit Gerd Weissmann zu vereinbaren. Der Mann, dessen Porträt Hessler unbedingt für seine Agentur hatte verwenden wollen, war zwar von Braigs Ansinnen nicht gerade begeistert gewesen, hatte sich dann aber angesichts seiner für den nächsten Tag geplanten Geschäftstour mit einem frühen ICE nach Hannover dennoch dazu überreden lassen.
»An einem Samstag sind Sie beruflich unterwegs?«, hatte er ihn misstrauisch gefragt.
»Ich bin seit dem letzten Jahr an der ESB Business School, der betriebswirtschaftlichen Fakultät der Reutlinger Hochschule tätig. Mein Beruf macht mir so viel Spaß, dass ich gerne bereit bin, am Wochenende auf Kongressen von meiner Arbeit zu berichten. Ein solcher Kongress mit Wissenschaftlern aus aller Welt findet jetzt in Hannover statt. Und was unser Gespräch angeht, nur, wenn es wirklich unbedingt sein muss und nicht länger als fünfzehn Minuten dauert«, hatte Weissmann beharrt. »Ich habe um Viertel nach fünf ein Rendezvous im Kunstmuseum. Mit einer Frau, die ich zwar erst vor wenigen Tagen kennen gelernt habe, die mir aber sehr viel bedeutet. Wenn Sie mir da dazwischenfunken, gehe ich Ihnen an den Kragen.«
»Das würde ich Ihnen nicht unbedingt raten. Ich bin Kriminalbeamter«, hatte Braig in schnoddrigem Ton geantwortet.
Seinen Gesprächspartner hatte das offensichtlich nicht sonderlich beeindruckt. »Ich kann Ihnen nur äußerste Zurückhaltung empfehlen. Ich arbeite direkt mit der Mafia zusammen. Wenn Sie mir diese Frau verjagen, setze ich drei Berufskiller auf Sie an. Da hilft Ihnen auch Ihr Job nicht weiter. Irgendwann werden die Sie erwischen.«
Braig hatte sich über die Chuzpe gewundert, mit der Weissmann den Dialog mit einem ihm unbekannten Kriminalbeamten angegangen war. Normalerweise reagierten fast alle Gesprächspartner äußerst vorsichtig, wenn sie seinen Beruf erfuhren, gleichgültig, ob sie in eine Straftat verwickelt waren oder nicht. Dieser Mann dagegen hatte sich in ihrer kurzen Unterhaltung keinerlei Zurückhaltung auferlegt. War er seines bevorstehenden Rendezvous wegen in völlige Euphorie verfallen? Oder hatte er tatsächlich mit dem Mord an Hessler zu tun und Braig mit seinem schnoddrigen Tonfall bewusst darüber hinwegzutäuschen versucht?
Gleich, woher diese ungewohnte Flapsigkeit rührte, Braig musste Weissmann persönlich sprechen, um sich ein eigenständiges Bild über ihn
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