Schwaben-Liebe
ihres Diensthandys. Kurz darauf hörte sie den Signalton. Sie zog das Gerät vor, schaltete es ein, erkannte den Mann sofort. Ein bildhübscher, junger Typ mit einem schmalen Gesicht, tiefblauen Augen und langen, dunklen Locken. Er war es, ohne Zweifel. Selbst die schreckliche Entstellung hatte die entscheidenden Merkmale nicht zerstören können.
»Haben Sie es erhalten?«
Neundorf benötigte einen Moment, zu reagieren. »Ja, vielen Dank.«
»Und? Was ist mit Freddy?«
»Einen Moment bitte«, erklärte die Kommissarin. »Ich gebe Ihnen sofort Bescheid.« Sie winkte einem der uniformierten Kollegen, wartete, bis er bei ihr angelangt war.
»Das Tatfahrzeug fuhr wahrscheinlich Richtung Untertürkheim davon«, erklärte sie. »Wir müssen die Anwohner dort fragen, ob es zufällig beobachtet wurde. Zum Typ des Wagens können wir leider noch nichts sagen. Aber vielleicht hat irgendjemand zwischen 19.30 Uhr und 20 Uhr ein auffälliges Auto beobachtet? Könnten Sie das bitte übernehmen?«
Der Beamte nickte. »Ich werde drei weitere Kollegen anfordern«, sagte er.
»Und zeigen Sie den Anwohnern auch das Bild des Mannes hier und fragen Sie, ob er irgendwo gesehen wurde.« Sie reichte dem Kollegen ihr Handy, nahm wieder das Gerät des Toten ans Ohr. »Sie sind noch dran?«, fragte sie.
»Ja, natürlich. Was ist mit Freddy?«
»Wo sind Sie jetzt?«
»Ich? In Freddys Wohnung. Wir wollten zusammen ausgehen heute Abend. Aber dann erhielt er wieder einen dieser seltsamen Anrufe und fuhr weg, bevor ich bei ihm war.«
»Was für seltsame Anrufe?«
»Ach, was weiß ich. So geht das schon seit Monaten. Irgendein wichtiger Anruf auf einem seiner unzähligen Handys.«
»Herr Stiegelmaier besitzt mehrere Handys?«
»Ich kann die schon gar nicht mehr zählen. Alles Prepaid-Handys, damit man die Nummer nicht zurückverfolgen kann. Die braucht er als Journalist, behauptet er.«
»Er arbeitet als Journalist? Für wen?«
»Für wen? Das wüsste ich auch gerne. Was sich gerade so ergibt. Aber immerhin, er verdient ganz gut dabei. Geld hat er jedenfalls immer. Aber bitte, jetzt sagen Sie doch endlich, wie kommen Sie an sein Handy? Was ist mit Freddy?«
Neundorf überlegte einen Moment, schaute auf ihre Uhr. Samstagabend, zwanzig nach neun. Und sie war noch nicht einmal ordnungsgemäß im Dienst.
Trotzdem. Es musste sein. »Was mit Freddy ist? Das müssen wir persönlich besprechen. Wo genau liegt seine Wohnung in Heidenheim?«
»Sie wollen mit mir reden?« Annette Schuller ließ ein erschrockenes Schreien hören. »Um Gottes willen, ihm ist etwas passiert. Was ist, hatte er einen Unfall?«
»Jetzt geben Sie mir die Adresse«, bat Neundorf, notierte sich dann die Straße und die Hausnummer. »Und Sie warten bitte in der Wohnung auf mich. Ich komme, so schnell ich kann.«
21. Kapitel
Den Landrat zu erreichen, der ihm von Raphaela Groll und Emilia Widenoff als Schniedelwutz vorgestellt worden war, war Braig erst am späten Freitagabend gelungen. Stefan Kulzer hatte ihn zwei Mal auf seine Mailbox sprechen lassen, bevor er reagierte.
»Die Polizei will sich mit mir unterhalten«, hatte er sich gemeldet, »darf ich fragen, in welcher Angelegenheit?«
Braig hatte nicht lange um den heißen Brei herumgeredet. Die Erfahrungen, die ihm in den letzten Jahren mit Angehörigen dieses Berufsstandes zuteil geworden waren, hatten ihm genügend Erkenntnisse geliefert, mit welchen Methoden dort gearbeitet wurde. »Schniedelwutz«, hatte er deshalb geantwortet und dann hinzugefügt: »Die Sache ist dringend. Ich gebe Ihnen 24 Stunden.«
Der Mann am anderen Ende hatte Braigs unverblümte Sprache offensichtlich sofort verstanden, wohl auch die Brisanz des Themas erahnt. »24 Stunden? Das ist schlecht. Samstag und Sonntag ist unsere traditionelle Wallfahrt. Zwei Omnibusse voll mit Gläubigen. Da bin ich immer mit dabei.«
»Wallfahrt?«
»Ich bin gläubiger Katholik. Dieses Jahr geht es nach Ellwangen.«
»Dann unterbrechen Sie Ihre Wallfahrt für zwei, drei Stunden. Oder Sie verzichten ganz.«
»Das ist unmöglich. Ich bin der Landrat. Ich gehöre dazu.«
»Wie erwähnt: 24 Stunden.«
»Also gut. Morgen Nachmittag. 16 Uhr. Aber Sie müssen nach Ellwangen kommen. Wir fahren mit zwei Bussen. Ich kann nicht weg.«
Braig hatte zähneknirschend eingewilligt, die Tour auf sich zu nehmen, wollte er doch das Theater vermeiden, das sonst von Seiten Söderhofers drohte. Der Landrat galt im Empfinden des Staatsanwalts kraft seines Amtes als
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