Schwaben-Liebe
Jahr den Bau einer äußerst umstrittenen Umgehungsstraße sozusagen gegen Gott und die Welt durchgepaukt und dabei auch noch eine völlig überflüssige Brücke errichten lassen. Alle fragten sich, weshalb, wozu, warum. Bis jetzt durch eine Indiskretion bekannt wurde, dass seine Partei in den letzten Monaten unzählige kleine Beträge mit immer der gleichen Summe erhalten hat, insgesamt etwa eine Viertelmillion Euro. Weil es immer nur kleine Mengen waren, mussten sie nicht veröffentlicht werden. Die Spender stehen seltsamerweise alle in Diensten der Firma, die die Brücke bauen durfte. Aber damit nicht genug: Der Landrat soll auch privat …«
»… Geld vom Brückenhersteller erhalten haben«, fiel Braig ihm ins Wort. »Kulzer schwört aber Stein und Bein, noch nie persönlich Kontakt zu der Firma und ihrem Besitzer gehabt zu haben.«
Aupperle war für einen Moment verstummt. »Heißt das, du weißt Bescheid?«
»So könnte man das formulieren, ja.«
»Dann kann ich mir das ja sparen.«
»Du kannst wieder zum privaten Teil des Anrufs übergehen«, schlug Braig vor. »Vielleicht hat Frau Stührer heute am späten Abend doch noch Zeit. Bis dahin müssten wir zurück sein.« Er sah das überraschte Gesicht neben sich, hörte Aupperles verlegenes Stottern, fügte hinzu: »Viel Erfolg!«
Seine Kollegin nahm das Handy entgegen, hatte Aupperles Stimme wieder am Ohr.
»Also, dann wird es spät bei euch«, hörte Braig ihn mit resigniertem Unterton spekulieren.
»Möglicherweise, ja.«
»Du kannst mir ja bei der Rückfahrt Bescheid geben, wann ihr wieder hier seid, Jacqui, dann hole ich dich in Stuttgart am Bahnhof ab.«
Braig wunderte sich über die Chuzpe des Kollegen. Der gab doch nie auf! Er schielte zu seiner Nachbarin, spürte förmlich, wie es in ihr arbeitete.
»Im Notfall kannst du bei mir kurz duschen«, ließ Aupperle vernehmen, »wenn es daran hängt.«
»Okay«, zeigte Jacqueline Stührer sich einverstanden. »Aber nur, wenn es nicht zu spät wird.«
Braig wusste nicht, ob sich ihr Einverständnis nur auf das späte Treffen oder auch auf das Duschen bezog, amüsierte sich über Aupperles Interesse an der jungen Kollegin. »In der Provinz hast du die willigen, infrage kommenden Weiber irgendwann abgegrast«, hatte er ihm vor wenigen Wochen die Beweggründe seines Wechsels von Trossingen in die Landeshauptstadt erklärt, »in der Großstadt dagegen ist das Reservoir unerschöpflich. Man ist schließlich nur einmal jung.«
Aupperle arbeitete jetzt seit drei Jahren beim Landeskriminalamt. Seine Versetzung habe er noch nie bereut, hatte er Braig gegenüber ausdrücklich betont. Trossingen, das alte Musikstädtchen am südlichen Rand des Landes, atmete Ruhe und Gemütlichkeit in allen Winkeln. Hier zu leben war der Traum eines jeden Pensionärs und Rentners, die den Anblick des Türmles wie des nahen Albtraufs schätzten und mit einem weitgehend stressfreien und beschaulichen Dasein zufrieden waren. Für einen lebenslustigen, jungen Mann von dreißig Jahren hatte diese Gemütlichkeit und Behäbigkeit auf Dauer aber einschläfernd und ermüdend gewirkt. Zwar hatte er sich privat wie beruflich auffallend oft in der Nähe der vor allem von weiblichen Studenten besuchten Musikhochschule aufgehalten und die attraktivsten Bekanntschaften dann ins
Canapee
oder ins
Ben Venuto
ausgeführt, war in der wärmeren Jahreszeit auch mit einigen der Damen ins doch recht frische Wasser des Naturfreibads getaucht, insgesamt jedoch hatte sich sein Eindruck nicht verflüchtigt, an Lebensjahren noch nicht weit genug fortgeschritten für diese provinzielle Idylle zu sein.
Irgendwann jedenfalls hatte er die meisten jungen Frauen Trossingens, auch einen Teil der heranwachsenden Weiblichkeit Rottweils, Tuttlingens und Villingen-Schwenningens kennen gelernt, in der ein oder anderen Weise kontaktiert und etliche von ihnen – wie er das persönlich einschätzte – mit seiner individuellen Zuwendung beglückt, die sich bei etwas zögerlicher Reserviertheit der jeweiligen Frau auf psychischer Ebene, in sehr vielen Fällen aber durchaus in intensiven physischen Aktivitäten realisiert hatte. Trotz aller genussvollen Momente und faszinierenden Begegnungen hatte er jedoch keinen inneren Drang verspürt, sich auf eine einzige all der vielen Verlockungen zu konzentrieren.
Die Chance, den Dienst beim polizeiintern fast schon sagenumwobenen Landeskriminalamt antreten zu können, war Aupperle da wie ein Volltreffer im Lotto erschienen.
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