Schwaben-Liebe
Mal aufs Neue wieder in Urlaubsstimmung, wenn sie irgendwo im Umland zu Gast war. Sie passierten die üppig grünen Stauden des Stadtgartens, blieben stehen, den Blick auf die von unzähligen Booten und Schiffen bevölkerte Oberfläche des Sees gerichtet.
»So, jetzt dürfen Sie aber nicht länger mit Ihrem Anliegen hinter dem Berg halten«, eröffnete Carolin Köhler das Gespräch. »Sie arbeiten nicht hier in unserer Polizeidirektion?«
Neundorf zog ihren Ausweis, präsentierte ihn der Frau. »Nein, ich bin im Landeskriminalamt in Stuttgart tätig.«
»Und Sie fahren eigens hierher, um mich zu sprechen?«
Wenn sie wirklich so verblüfft war, wie sie das mit ihren Worten zum Ausdruck brachte, konnte sie das in ihrer Mimik sehr gut verbergen. Die Frau ist ein harter Brocken, überlegte Neundorf und beschloss zugleich, aufs Ganze zu gehen. »Nun ja, Nacktfotos dieser Qualität sind den weiten Weg wert, oder?«
Carolin Köhler versteifte am ganzen Körper. Ihre Lippen wurden schmal, kein Muskel zuckte. »Woher wissen Sie?«
Sie ist Profi genug, es erst gar nicht abzustreiten, dachte Neundorf. Mit der Frau sollte man sich nicht unbedingt anlegen. Wenn sie Stiegelmaier auf dem Gewissen hat, wird ihr das nur schwer nachzuweisen sein. »Ich arbeite beim LKA«, gab sie zur Antwort. »Wir haben schon Mittel und Wege …«
»Die Fotos dürfen auf keinen Fall an die Öffentlichkeit«, zischte ihr Gegenüber. »Ich kenne meine Rechte und werde die besten Anwälte dafür engagieren.«
»Um Gottes willen, was denken Sie?« Neundorf hob beide Hände, um die Frau zu beruhigen. Carolin Köhler war sich offensichtlich voll bewusst, was da auf dem Spiel stand. Ob sie nur Anwälte engagierte, ihre Interessen zu schützen, oder nicht auch andere, weniger zimperliche Kräfte? »Immerhin haben Sie die Identität des Mannes schnell ermittelt«, sagte sie, die versteinerte Miene ihrer Gesprächspartnerin vor Augen. »Wie hat er reagiert, als Sie ihm zum zweiten Mal begegneten?«
»Zum zweiten Mal?« Die Frau löste sich aus ihrer Erstarrung, lief ein paar Schritte zu einer Sitzbank, ließ sich darauf nieder. »Es gab kein zweites Mal.«
Neundorf folgte ihr, blieb vor ihr stehen. »Sie waren im Hotel, wo es passiert war, erfuhren seinen Namen.« Sie verstummte, weil eine Gruppe Jugendlicher den Weg entlangkam, wartete, bis sie sich wieder entfernt hatten. »Also ich an Ihrer Stelle hätte dem Kerl die Pistole auf die Brust gesetzt.«
Carolin Köhler sah zu ihrer Gesprächspartnerin auf. »Das hätte ich auch gern, ja. Wenn ich seine Identität ermittelt hätte.«
»Sie haben sie doch im Hotel erfahren. Vom Geschäftsführer persönlich.«
»Es gibt keinen Manuel Maier. Weder in Ravensburg noch sonst wo. Jedenfalls nicht den, den ich suchte. Ist Ihnen das nicht bekannt?«
»Nein, den gibt es nicht. Aber Sie haben doch seinen richtigen Namen.«
»Den richtigen Namen? Nach dem suche ich heute noch.«
»Sie haben die Identität des Mannes, der Sie erpresste, nicht ermittelt?«
Carolin Köhler blickte Neundorf voll in die Augen, verzog keine Miene. »Wie denn? Ich verfüge nicht über die Mittel wie Sie.«
»Warum sind Sie dann nicht zur Polizei?«
»Zur Polizei?« Das kurze Lachen brachte deutlich zum Ausdruck, was die Frau von Neundorfs Vorschlag hielt. »Die Fotos dürfen nicht an die Öffentlichkeit, das verstehen Sie doch?«
»Sie haben kein Vertrauen, was einige meiner Kollegen anbelangt«, erklärte die Kommissarin. »Gut, ein Stück weit kann ich das nachvollziehen. Ein riesiger Apparat, eine teilweise anonyme Behörde. Es gibt keine Garantie, dass da alles im Verborgenen bleibt.«
»Sie sind sehr selbstkritisch«, attestierte Carolin Köhler. »Auf jeden Fall haben Sie meine Beweggründe genau verstanden.«
»Aber Sie haben es doch nicht aufgegeben, nach dem Kerl zu suchen. Nach dem, was er Ihnen angetan hat.«
»Nein, das habe ich nicht. Aber bisher hatte ich leider keinen Erfolg.«
»Sie haben gezahlt?«
»Ja. Aber das geht Sie nichts an.«
»Wie viel?«
»Viel zu viel.«
»Wie fand die Geldübergabe statt?«, fragte Neundorf.
»Dazu sage ich nichts. Ich möchte die Polizei nicht im Spiel haben, Sie wissen, weshalb.«
»Sie haben keine Angst, dass bald neue Forderungen kommen?«
Carolin Köhler ließ einen ersten Anschein von Unsicherheit erkennen. Sie atmete kräftig durch, rang um eine Antwort. »Natürlich habe ich die.«
»Aber Sie wollen unsere Hilfe trotzdem nicht in Anspruch nehmen.«
»Nein«,
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