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Schwaben-Messe

Schwaben-Messe

Titel: Schwaben-Messe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Er hatte sie im ersten Moment nicht erkannt, spürte schon das »Was kann ich für Sie tun?« auf seinen Lippen.
    Sie sah katastrophal aus, um Jahre gealtert, krank, nervlich angeschlagen. Ihre Augen flatterten, die Hände zitterten. Der ganze Körper vibrierte. Sie musste sich am Türrahmen festhalten, um nicht umzufallen. So hatte Braig sie in all den Jahren noch nie gesehen.
    »Kommt Ihr mal bitte?«, hauchte sie. Ihre Stimme war nicht mal mehr ein Schatten ihrer selbst. Braig und Beck beachteten Sabine Grandel nicht weiter, folgten Neundorf aus dem Raum.

32.
    Katrin Neundorf hatte dem kleinen Koffer keine große Bedeutung mehr beigemessen. Zu enttäuschend war der Besuch bei Frau Jahn ausgefallen. Bis auf das Foto im Silberrahmen hatte das Zimmer Jahns nichts hergegeben. Der Soldat in Uniform irgendwo in Osteuropa, vor einem halb zerschossenen Bahnhof, stolz und zufrieden in Siegespose in die Kamera lächelnd, dem Alter des Mannes nach höchstens fünf, sechs Jahre her. Es passte zu den »Männertouren«, die Mona Peters erwähnt hatte, Anfang bis Mitte der Neunziger Jahre etwa unternommen, konnte auch Aufschluss über die Ursachen der Verrohung Jahns geben, der sich hier den Zerstörungen des Gebäudes nach in einem Kriegsgebiet aufgehalten hatte. Was das Bild im Zusammenhang mit seiner und Grandels Ermordung hergeben sollte, war Neundorf allerdings schleierhaft. Jahn irgendwo in einem Kriegsgebiet – Na und? Beweis wofür?
    Je mehr sie sich dem Landeskriminalamt näherte, desto mehr schwand ihre Zuversicht, dass sich aus dem Besuch bei Frau Jahn noch sinnvolle Resultate ergeben würden. Männertour ins Kriegsgebiet, spottete sie vor sich selbst. Sie kannte diese Helden zur Genüge. Wahrscheinlich hatte das große Männerabenteuer darin bestanden, dass eine Handvoll Möchtegern-Rambos nach Russland getourt waren, sich dort in einem ehemaligen Kriegsgebiet, vielleicht am Rand Tschetscheniens »todesmutig« in Militäruniform hatten ablichten lassen, um dann anschließend ihren übermenschlichen Mut eine Woche lang in Hektolitern von Wodka zu ertränken und sich russische Frauen zu kaufen, die vor lauter sozialem Elend darauf angewiesen waren, sich mit westlichen Alkoholleichen einzulassen, um überleben zu können.
    Nach Hause zurückgekehrt, präsentierte »Mann« als Beleg für seine Heldentaten dann die Fotos, die endlich seine wahre, im Alltag leider nicht wahrgenommene und daher auch nicht genügend respektierte Männlichkeit erwiesen.
    Irre dieses Kalibers gab es genug: Einige besonders dämliche Exemplare reisten zum Beispiel in fremde Länder und schmuggelten dann als Trophäe ihres Jagdeifers Elefantenstoßzähne durch den Zoll, andere Gehirnamputierte jagten in heimischen Gefilden nach Hirschen und Fasanen, schleppten dann klobige Geweihe oder ausgestopfte Tierleichen ins traute Heim und nagelten sich ihren Mannesmut stolz an die Wand. Was war da schon Besonderes dabei, dass andere Verrückte sich in Militäruniform vor alten, vor Jahren zerschossenen Gebäuden ablichten ließen und ihre Männlichkeit dann in Form von Hochglanzfotos präsentierten? In Trophäen dieser Art irgendwelche Faszination zu suchen, konnte ohnehin nur kranken Männerhirnen entspringen, sich an solchen zu ergötzen, bedurfte es wahrlich eines radikalen Überschusses männlicher Hormone. Nein, sich länger damit zu befassen brachte nichts ein, ihre Ermittlungen gerieten dadurch nur ins Abseits.
    Es war Zufall, dass Neundorf beim Betreten des Amts Markus Schöffler in die Arme lief. Der kräftige Kriminaltechniker sah sie mit ihrem winzigen Koffer, lachte. »Geht’s auf große Tour?«
    Neundorf hob den Koffer in die Höhe, schwenkte ihn im Kreis. »Acht Wochen Hawaii, Alaska, Australien. Alles dabei.«
    »Sehr geräumig, das Ding. Im Spielwarenladen besorgt?«
    Sie erklärte ihm kurz die Herkunft des kleinen Behälters, zeigte auf die beiden Klappen, die nicht zu öffnen waren. Schöffler nahm den Koffer in die Hand, überprüfte das Schloss. »Moment.« Er griff in seine Tasche, zog einen dicken Schlüsselbund vor. »Viel Zeit habe ich nicht, wir sind unterwegs zu einem Einsatz. Aber das geht schnell.« Er machte sich an den Klappen zu schaffen, schraubte, rüttelte, drehte einen weiteren Schlüssel im Kreis. Plötzlich war der Koffer offen.
    »Herrgott noch mal, bist du wahnsinnig?« brüllte Schöffler. Er stellte den Koffer vorsichtig auf den Boden, drückte Neundorf zur Seite.
    Sie sah es sofort. Im Koffer lagen ein Video,

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