Schwaben-Rache
ist die Verbindung zum Hubschrauberabsturz von Kering? Gut, Breuninger hat beruflich viel mit dem Minister zu tun, sie treffen sich fast jeden Dienstag in ihrem Stammlokal. Auf ihr Verhältnis angesprochen, erklärte der Mann, er sei mit Kering befreundet. Wo genau aber ist der Punkt, der beide Fälle zusammenbringt?«
»Kerings Unfall mit dem Hubschrauber und die Sache im Wagenburgtunnel sollen miteinander zu tun haben? Wer behauptet diesen Schwachsinn?«, fragte Neundorf.
Güblers Gesicht lief dunkelrot an. Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Seine Stimme zitterte, als er lospolterte. »Sie sollten Ihre Worte genauer überlegen, junge Kollegin. Es gibt Informationen, die Ihren Horizont offensichtlich übersteigen. Wenn es Ihnen an der Fähigkeit fehlt, Zusammenhänge zu erkennen, werde ich Sie von dieser Aufgabe entbinden. Ich verstehe sowieso nicht ...« Er blickte sie mit zornigen Augen an, hielt mitten im Satz inne, winkte dann jedoch verächtlich schnaubend ab. »Auf jeden Fall sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass man im Ministerium um die Sicherheit von Herrn Kering sehr besorgt ist.«
Neundorf lachte laut, zog ihre Jacke zurecht. »Das ist durchaus verständlich«, erklärte sie, »allerdings in anderer Beziehung, als Sie es hier andeuten. Es vergeht doch fast kein Monat, ohne dass eine neue Affäre um diesen Skandal-Hering publik wird. Und das bei unserer den Konservativen so unübersehbar gewogenen Presse!«
Gübler schnappte nach Luft. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, stotterte er, »das ist doch eine üble Kampagne der Medien, die gegen den Minister läuft.«
»Kampagne?« Neundorf grinste. »Stinkende Heringe, Landesauszeichnung für die Firma des eigenen Bruders, ein außereheliches Verhältnis, Enteignung von Bauern für die Schwaben-Messe ... Alles Kampagne?«
Braig wusste, wovon sie sprach. Kerings peinliches Fehlverhalten als Pressekampagne zu verklären, bedurfte schon besonderer Blauäugigkeit. Ganz im Sinne eines mächtigen Paten hatte sich der Politiker mit dem Briefkopf seines Ministeriums für einen Händler stark gemacht, der wegen verdorbener Bismarckheringe mit der Polizei aneinandergeraten war. Bei dem mobilen Fischbrötchenverkäufer waren dem Wirtschaftskontrolldienst anlässlich des Cannstatter Volksfestes, des größten schwäbischen Jahrmarkt, dreißig Kilogramm ungekühlter Heringe und Lachsersatz in die Hände gefallen. »Für den Verzehr ungeeignet«, hatten die Beamten geurteilt und die stinkende Masse, nachdem sie am dritten Tag immer noch nicht beseitigt war, in Übereinstimmung mit den polizeilichen Richtlinien mit einem Reinigungsmittel getränkt.
Zehn Tage später hatte der Minister auf dem offiziellen Papier seines Ministeriums beim damaligen Stuttgarter Polizeipräsidenten angefragt, auf welche rechtliche Basis sich dieses ungewöhnliche Vorgehen stütze. Er, der Minister, sei völlig perplex, dass solche Verfahrensweisen erlaubt seien.
Peinlich für den mächtigen Herrn in Stuttgart, als sich herausstellte, dass der Händler seinen Stand im Volksfestzelt jenes Mannes betrieb, mit dessen Tochter der Minister neuerdings liiert war.
Doch damit nicht genug: Wenige Tage später hatte Kering einer Firma, deren Geschäftsführung in den Händen seines eigenen Bruders lag, die Wirtschaftsmedaille des Landes überreicht und deshalb die Parlamentsdebatte über die von ihm mit initiierte neue Messe Stuttgarts versäumt, für deren Grunderwerb er eigens ein Enteignungsgesetz in die Wege geleitet hatte, das unzählige Landwirte ihrer Betriebe zu berauben drohte. Dass ihn ein weit verbreitetes Boulevardblatt dann schließlich noch in einer Meldung über seine neue Gefährtin mit dem Ausspruch zitierte, er müsse es seiner Ehefrau »erst noch sagen«, setzte der Affären-Story nur noch die Krone auf.
»Jetzt aber zur Nische, wo der Autoclub-Manager Breuninger festgeschnallt war«, erklärte Neundorf. »Sie ist etwa eineinhalb Meter breit und vier Meter lang. Die Tür an ihrem Ende ist verschlossen, dahinter befindet sich ein Lagerraum des Straßenbauamtes. Die Täter banden Breuninger an der metallenen Klinke fest. Ein massives Modell, keine Chance, davon loszukommen.«
»Dann hatten sie es nicht einmal nötig, vorbereitende Arbeiten zu leisten«, überlegte Braig, »aber um dies zu wissen, mussten sie vorher im Tunnel gewesen sein. Vielleicht hat man sie dabei beobachtet? Ist doch sicher auffällig, wenn sich Leute in diesem Autotunnel herumtreiben. Wir
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