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Schwaben-Rache

Schwaben-Rache

Titel: Schwaben-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Neundorf tastete das Schloss ab, spürte, dass sie derlei Schlüssel nicht zur Verfügung hatte. Blieb nur Gewalt. Sie überlegte, beschloss, sich erst noch den beiden anderen Zimmern zuzuwenden.
    Drei Meter weiter folgte die nächste Tür. Sie war offen und führte in eine Art Arbeitsraum. Schreibtisch, Computer, Telefax, ein Bücherregal, noch ein Schreibtisch, dahinter ein verschlossener Rollschrank, ein weiterer Computer. Zum Fenster hin ein breiter Unterschrank, vollgestopft mit Aktenordnern, darauf ein Fernsehgerät mit zwei Videorekordern. Entweder war einer der Apparate kaputt oder Breuninger benutzte die Anlage, um Videobänder zu kopieren. An der Rückwand ein großes Regalsystem mit Büchern, Ordnern, Zeitschriften, Videos und ...
    Sie stutzte, lachte dann leise. Schnapsflaschen in allen Variationen. Hochprozentiges aus der ganzen Welt, von russischem Wodka über schottischen Whisky bis hin zu mexikanischem Tequila. Die kleinen Seelentröster, ein ganzer Jahresvorrat, selbst bei starkem Konsum in ausreichender Menge vorhanden.
    Sie befand sich hier ganz offensichtlich in Breuningers Arbeitszimmer. Ob zu finden war, was sie suchte?
    Sie nahm wahllos einen Aktenordner aus dem Regal, knipste ihre Lampe an, blätterte die Papiere durch. Briefe seines Autoclubs an Gott und die Welt, Politiker, Wirtschaftsführer, Gewerkschaftler. Die Namen der Adressaten waren täglich in den Hauptnachrichten zu hören. Daneben ein weiterer Ordner, sechs, sieben, acht, neun Stück, alle prall gefüllt mit Briefen an den »
Herrn Bundesminister für Verkehr
«.
    Neundorf wähnte sich nahe der Quelle. Ob sie einen Teil der Ordner einfach mitnehmen und zu Hause in Ruhe studieren sollte?
    Sie räumte die Ordner aus dem Regal, legte sie auf den Schreibtisch neben den Computer, wandte sich dem Unterschrank unter dem Fenster zu. Auch hier lauter geschäftliche Mitteilungen, diesmal Korrespondenz mit Journalisten. Schreiben über Schreiben an sämtliche Zeitungen, Zeitschriften, Fernseh- und Radiosender der Republik, meist direkt an die Chefredaktion adressiert bzw. von den jeweiligen Herren dort unterschrieben. Neundorf begriff langsam, in welchem Einflussbereich dieser Mann und sein Automobilclub sich bewegten.
    Als sie den nächsten Ordner durchblätterte, erinnerte sie sich an den Raum mit der verschlossenen Tür. Sie musste sich vergewissern, dass ihr jenseits der Wand nichts Wesentliches entgangen war.
    Sie schlich sich aus dem Raum, untersuchte das gegenüberliegende Zimmer. Toilette mit separatem Baderaum.
    Dann zu der verschlossenen Tür. Kein Schlüssel passte. Es gab nur eine Möglichkeit. Neundorf blieb einen Augenblick lauschend stehen, stieß dann ihren rechten Fuß mit aller Kraft vor. Die Tür schien zu explodieren, das Holz zersplitterte, und ein ohrenbetäubender Knall erscholl. Wenn nur kein dem Hausherrn vertrauter Nachbar zufällig in der Nähe war.
    Sie senkte ihr Bein, blieb auf der Stelle stehen. Das Echo des Schlags hing noch in allen Räumen. Ihr Herz hämmerte, die Handflächen in den Handschuhen waren feucht. Trotz mehrjähriger Polizeiroutine spürte sie die Belastung der außergewöhnlichen Situation. Bei allen Geistern dieser Welt, sie war illegal hier, schlicht und einfach illegal wie ein stinknormaler Einbrecher.
    Ihr Fuß schmerzte, in ihrem Bein hämmerten tausend Pressluftbohrer. Das Haus war still, absolut ruhig. Sie drehte sich vorsichtig um, wobei sie den dämmrigen Hintergrund mit den Augen abtastete: Die rund um die Klinke zersplitterte Tür, die seltsam gebogen in den Angeln hing, die eine Hälfte des Raumes, der offen vor ihr lag. Ein Schrank, gewaltiger als alle anderen Möbel in diesem Haus, vom Fußboden bis fast unmittelbar an die Decke reichend. Sie schlich vorsichtig in das Zimmer, fühlte sich auf einmal klein und schwach. Der Schrank war aus schwerem Holz, massiv und dunkel, mit unzähligen Schnitzereien und kleinen Vorsprüngen verziert – ein teures, wahrscheinlich seit Generationen vererbtes Stück, das den Raum weitgehend ausfüllte. Nur mehrere Kartons und Kisten lehnten an der gegenüberliegenden Wand.
    Sie suchte die zentrale Tür des Monstrums, machte sich daran zu schaffen. Der Schlüssel drehte sich schwerfällig, sägte und kreischte wie eine lange Jahre nicht geölte Motorsäge. Langsam, unglaublich langsam, gab das Schloss nach.
    Sie packte die Tür, zog sie vor. Neugierig starrte sie ins Innere: Bettwäsche, Kleidungsstücke, Handtücher. Überall, in sämtlichen

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