Schwaben-Rache
Aussagen des Gastwirts im
Excelsior
: Sie wollen groß zuschlagen, hatte er ihr erklärt, ihr ›Vater‹ und seine Freunde seien gerade dabei zu überlegen, wie sie den Autokritikern endlich so eins überbraten könnten, dass die sich für immer aus der öffentlichen Diskussion würden zurückziehen müssen. Die Grünen, Leute, die es wagten, am Autowahn des Autoclubs und der Industrie Kritik zu üben, mundtot zu machen, sie endgültig als Verbrecher zu brand-marken, deren Argumente nicht ernst genommen werden durften, das war ihr Ziel.
Immer deutlicher dämmerte Neundorf, was all das zu bedeuten hatte. Es gab nur eine Erklärung: Breuninger hatte seine eigene Entführung vorgetäuscht, wobei ihm irgendwelche dunklen Freunde behilflich gewesen waren. Die Öffentlichkeit sollte glauben, grüne Terroristen hätten die Tat inszeniert und ihm, dem unschuldigen Vorkämpfer automobiler Freiheit, Gewalt angetan. Breuninger hatte die Ziele, die der Wirt des
Excelsior
erwähnt hatte, nicht nur theoretisch entfaltet, er hatte sie, darüber war Neundorf sich jetzt im Klaren, eiskalt ausgeführt. Der Mann war gefährlich, verdammt gefährlich.
Stimmen schreckten sie aus ihren Gedanken. Es mussten sich Männer unmittelbar vor dem Haus befinden, vielleicht sogar schon im Eingangsbereich. Sie stritten, wechselten zumindest einige deutliche Worte miteinander.
Neundorf nahm das Blatt, faltete es hastig zusammen, steckte es in ihre Tasche. Ihre Uhr zeigte an, dass es auf zehn zuging.
Sollte Breuninger so früh nach Hause zurückgekommen sein?
Sie musste die Schreibmaschine unbedingt als Beweismaterial sicherstellen. Warum hatte sie ihre Pistole nicht mitgenommen? Sie war aus reiner Vorsicht unbewaffnet ins Haus eingedrungen: Sollte das Unternehmen schiefgehen und sie des Einbruchs bezichtigt werden, konnte man ihr wenigstens nicht das Mitführen einer Waffe zum Vorwurf machen. Dummheit, unverzeihliche Dummheit.
Die Eingangstür unten knarrte. Das Licht im Erdgeschoss ging an. Irgendjemand war schon im Haus. Sie musste verschwinden, so schnell es ging, und dann einen Durchsuchungsbefehl beantragen. Fragte sich nur wie.
Momentan blieb ihr allerdings keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Die beiden Stimmen waren bereits zu nahe, als dass sie länger in dem Raum mit der zerstörten Tür verweilen durfte.
Sie schlich auf den Gang hinaus, wo sie das Gezeter der Männer hören konnte.
»Das Zeug muss aus dem Haus, zum Teufel noch mal, keine Diskussion!«
»Wir versenken die Maschine im Neckar. Nur kannst du dann keinen Brief mehr tippen, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Leck mich doch am Arsch!«, brüllte der Erste wieder. »Die Sache wird mir zu brenzlig. Wir inszenieren keine zweite Aktion, macht ihr das doch von München aus, ich lasse mich nicht länger einspannen. Wer weiß, wer hinter diesem Weib steckt, das mich ausspioniert.«
Sie hantierten zunächst noch im Erdgeschoss, kamen dann aber zur Treppe. Die Stufen erstrahlten in grellem Licht. Neundorf huschte ohne langes Überlegen durch den Gang, öffnete hastig die Tür zu dem kleinen Wohnzimmer, in dem sie sich am sichersten glaubte.
Einer der beiden Männer stieg die Stufen hoch. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bis er die zerstörte Tür des ehemals verschlossenen Raumes bemerken würde.
Sie schloss die Tür, lehnte sich gegen das Holz, um zu lauschen.
Durch den Spalt, in dem der Schlüssel steckte, sah sie das Aufflammen der Flurbeleuchtung. Zugleich ertönte ein markerschütternder Schrei.
»Himmeldonnerwetter! Scheiße, Scheiße, Scheiße!«
Tumult draußen, Schritte auf der Treppe.
»Was ist los?«
Beide Stimmen kamen jetzt aus dem Obergeschoss. So leise wie irgend möglich drehte Neundorf den Schlüssel, der zu ihrem Glück im Inneren der Tür steckte, sah sich gehetzt im Raum um.
Das Fenster bestand aus zwei jeweils etwa sechzig Zentimeter breiten Flügeln. Es musste reichen. Von der Fensterbank waren es höchstens dreieinhalb Meter bis auf den Boden. Sie musste jetzt an sich selbst denken. Ihre eigene Sicherheit hatte absoluten Vorrang vor allen Beweisstücken. Mit einem Typen wie Breuninger war nicht zu spaßen. Sie traute ihm alles zu, vor allem jetzt, wo er sich in der Gefahr sehen musste, entlarvt zu werden.
Die Schreie im Gang hatten tierische Ausmaße angenommen.
»Sie haben alles entdeckt«, brüllte einer der beiden, »sie wissen Bescheid!«
Schritte jagten hin und her, das Schreien hörte nicht auf.
»Es ist doch
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