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Schwaben-Rache

Schwaben-Rache

Titel: Schwaben-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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unsicher, das war nicht zu übersehen. Sein schmächtiger Kinnbart wirkte noch dünner, die Wangen hatten an Volumen verloren. Dem Mann ging es offensichtlich nicht gut.
    »Warum geht es Ihnen so schlecht?«
    »Mir? Wieso soll es mir schlecht gehen?«
    »Das sieht man Ihnen doch an.«
    »Sie sind vielleicht gut. Erst schikaniert mich die halbe Polizei von ganz Stuttgart, und dann fragen Sie noch dämlich.«
    »Wer ist Ihr Komplize?«
    »Mein Komplize?«
    Ziegenfuß’ Erstaunen wirkte total überdreht. »Er spielt«, fuhr es Braig durch den Kopf, »hat aber nicht das Zeug dazu. Er ist kein Schauspieler, ihm fehlt das Talent, das hat er vergessen.«
    Als Braig die Gestalt des Mannes betrachtete, spürte er auf einmal, dass alles passte. Ziegenfuß war klein, höchstens einen Meter fünfundsechzig groß. Seine Stimme klang tief, ausgeprägt männlich.
    »Jetzt geben Sie es doch endlich zu! Wo waren Sie gestern Abend gegen 22.30 Uhr?«
    Ziegenfuß sprang aus seinem Sessel, rannte zu der gegenüberliegenden Wand, an der das Gemälde Manets mit dem reizvollen Mädchen hing. Er fuchtelte wild mit den Händen, griff sich in seine spärlichen Haare.
    »Wo soll ich jetzt schon wieder gewesen sein? Auf dem Mond oder auf dem Mars? Ich lag im Bett, nach all den beknackten Verhören!«
    »Wie viele Fahrräder haben Sie?«, fragte Braig.
    »Fahrräder? Eines natürlich, mein eigenes.«
    »Können wir es sehen?«
    »Wenn es Sie befriedigt.«
    Ziegenfuß starrte ihn wütend an, lief zur Tür. »Unten, im Stall.«
    Sie überquerten den Hof, ließen sich das Fahrrad zeigen. Es war ein älteres Modell mit Dreigangschaltung, die Räder leicht beschmutzt, die Profile voller Erde.
    »Oh, das sieht frisch aus. Haben Sie es heute Nacht benutzt?«
    »Heute Nacht lag ich im Bett, Sie Vollidiot«, erwiderte Ziegenfuß.
    Steffen Braig bemerkte andere Fahrräder, die hinter zwei großen Autoreifen an der gegenüberliegenden Wand lehnten, beide im Schatten, vom Eingang her fast nicht zu erkennen.
    »Oh, was ist das? Sie erklärten uns doch, Sie hätten nur ein einziges Fahrrad?«
    Helmut Ziegenfuß wusste nicht mehr, was er antworten sollte. »Aber das sind doch, mein Gott, Sie wollten doch nur mein eigenes ...«
    Braig hörte das Gestammel nicht mehr, weil ihn die Räder völlig in Beschlag nahmen. Zwei Entführer und ein Opfer benötigten drei Fahrräder. Hier standen sie vor ihm.
    »Stöhr, wir rufen die Spurensicherung. Und Sie, Herr Ziegenfuß, sollten freiwillig mitkommen. Der Haftbefehl macht keine Schwierigkeiten. Das ist in diesem Fall eine Sache von wenigen Minuten. Sie sollten auspacken, endgültig. Und uns Ihren Komplizen verraten, damit Sie nicht alles allein ausbaden müssen. Das wollen Sie doch nicht, oder?«
    Ziegenfuß starrte ihn an. Er schien vollends weggetreten. Höchste Zeit, ihn jetzt endgültig ranzunehmen, dachte Braig. Gemeinsam im LKA würden sie es schaffen. Das Einzige, was ihn ärgerte, als sie fünfundvierzig Minuten später in Stuttgart ankamen, war die Tatsache, dass Neundorf das Amt bereits verlassen hatte. Sie hätte mithelfen können, den Mann in die Zange zu nehmen. Aber immerhin war es bereits neunzehn Uhr, und die Dämmerung verschlang an diesem Abend mit dicken, von Westen her aufziehenden Wolken die letzten Lichtstrahlen.

36. Kapitel
    Ins Haus zu kommen, war keine Schwierigkeit. Katrin Neundorf hatte einen Bund Generalschlüssel mitgenommen, sodass es keine dreißig Sekunden dauerte, bis die Tür geöffnet war. Der Eingang lag im Schatten, von dichtem Buschwerk umgeben. Um diese Zeit, kurz vor neun, verirrten sich keine Passanten mehr ins Degerlocher Villenviertel. Die Anwohner, die ihre Hunde ausführten, kamen erst später, und selbst der inzwischen wolkenbedeckte Himmel trug seinen Teil dazu bei, Neundorfs Plan zu erleichtern. Schon bald nach acht war die dämmrige Nacht hereingebrochen – recht früh für diesen Sommertag.
    Neundorf hatte sich im Vorfeld der geplanten Aktion davon überzeugt, dass er zurzeit allein in dem Haus lebte. Seine geschiedene Frau war vor einem Jahr weggezogen, eine jüngere Lebensgefährtin erst vor wenigen Wochen Hals über Kopf abgehauen. Blieb nur der Besitzer des Anwesens: Dass er an diesem Abend nicht zu Hause sein würde, hatte Neundorf der Ankündigung einer Diskussionsveranstaltung entnommen, bei der Breuninger als Teilnehmer aufgeführt war.
    Neundorf schloss die Tür hinter sich wieder ab, um jede Spur ihres illegalen Eindringens vergessen zu machen, und ließ

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