Schwaben-Sumpf
Problem für so ein kleines Auto, und dann war es auch schon durch. Ich rannte die paar Meter zum Turm und sah das Auto gerade noch auf die Baidungstraße einbiegen. Es hoppelte über die Begrenzung weg, die den Fußweg dort von der Fahrbahn trennt und verschwand nach rechts.«
»Sie können wirklich nichts zum Kennzeichen sagen?«
Die Frau schüttelte den Kopf, lauschte für wenige Sekunden dem Klavierspiel, das gerade zu neuer Intensität anschwoll. »Nein, wirklich nicht, das habe ich doch dieser Beamtin …«
Felsentretter fiel ihr mitten ins Wort. »Zwei, drei Buchstaben«, sagte er, sah nur ihr Kopfschütteln.
»War es von hier?« Er bemerkte ihren ratlosen Blick. »Ich meine, das Kennzeichen, war es das übliche?«
»Ich weiß es nicht. Das Auto fuhr ohne Licht. Selbst wenn ich es versucht hätte, wie soll das gehen – ohne Licht?«
Er hatte das Protokoll der Kollegen gelesen, war über die Aussagen Ulrike Schneiders informiert. »Und jetzt? So im Nachhinein? Wenn Sie noch einmal darüber nachdenken?«
Der Pianist im Nachbarraum setzte zu einem neuen Tremolo an. Felsentretter war kurz davor, aufzustehen und die Tür zu schließen.
»Nein«, erklärte die Frau, »es ist sinnlos. Ich habe es nicht gesehen.«
»Aber das Fahrzeug«, sagte er. »Sie sprachen von einem kleinen dunklen Wagen, eventuell einem kleinen Daimler, richtig?«
»A-Klasse«, antwortete sie, »aber ich weiß es nicht genau.«
»Und die Person am Steuer? Sie haben sie nicht gesehen?«
»Nein, wirklich nicht. Ich kann nicht helfen. Leider. Es war dunkel, ging viel zu schnell, Napoleon bellte, und der Motor dieses Autos heulte laut auf. Ich kann Ihnen nur eines mit voller Gewissheit sagen: Das war Absicht! Das Auto hielt mit voller Absicht auf diesen Menschen zu, garantiert!«
16. Kapitel
Die Frau rauchte wie ein Schlot. Die dritte Zigarette, seit Neundorf die Wohnung betreten hatte. Ein Lungenzug nach dem anderen, in den wenigen Sekunden dazwischen die giftigen Wolken wie ein speiender Vulkan mit großem Druck von sich stoßend. Trotz weit geöffnetem Fensterflügel drohte das Zimmer im Qualm zu ersticken.
Neundorf war von Christa Kastner, einer freundlichen älteren Frau, die sich als Mutter Catherine Heimpolds entpuppt hatte, in Esslingen in die Wohnung geleitet und mit Kaffee und einem Marmeladebrötchen bewirtet worden.
»Catherine ist gerade erst aufgestanden«, hatte sie ihr erklärt, »sie macht sich noch frisch. Das ist alles zu viel für sie. Ich weiß nicht, wie sie das bewerkstelligen soll. Jessica war ihr Ein und Alles. Sie ist völlig am Ende. Und dann gestern noch die Beerdigung …«
»Sie hat bei Ihnen übernachtet?« Neundorf hatte noch von Schwäbisch Gmünd aus, wo sie den neuen Tatort besichtigt hatte und über alle bisher bekannten Details informiert worden war, Catherine Heimpold angerufen, war dabei mit deren Mutter verbunden und über den derzeitigen Aufenthaltsort der vom Schicksal so schwer getroffenen Frau aufgeklärt worden.
»Ich muss mit Catherine Heimpold sprechen«, hatte sie ihr erklärt, »persönlich. Heute Morgen noch.«
»Sie ist bei mir. Lenzhalde in Esslingen. Sie müssen hierherkommen. Catherine ist zu schwach, sie kann nicht weg.«
»Das geht in Ordnung. Sie haben ein gutes Verhältnis zueinander?«
»Ich wüsste nicht, was dagegenspricht.«
»Dann fände ich es gut, wenn Sie bei dem Gespräch anwesend sein könnten.«
Sie hatte es Felsentretter überlassen, die Augenzeugin des nächtlichen Geschehens zu befragen, war auf dem kürzesten Weg nach Esslingen gefahren, hatte nach der Lenzhalde gesucht, das Haus dann unweit des Abgangs der Katharinenstaffel gefunden.
»Ich habe sie gestern Nachmittag im Anschluss an die Beerdigung zu mir geholt. Was soll Catherine denn allein in ihrem großen Haus? Robert hat sowieso keine Zeit. Sein Beruf gönnt ihm nicht mal eine Ruhepause. Gestern Abend hatte er schon wieder einen Termin.«
»Einen Termin?«, hatte Neundorf gefragt. »Sie wissen, wo?«
Die Frau war sich über die Haare gefahren, hatte ein paar Strähnen zur Seite gestrichen, sich dann an das Vorhaben ihres Schwiegersohnes erinnert. »Schwäbisch Gmünd. Ich will es nicht behaupten, meine aber, dass er die Stadt erwähnte. Wo er sich jetzt aufhält, weiß ich nicht. Er wollte zu Hause übernachten. Haben Sie es dort oder im Büro versucht?«
Neundorf hatte zu keiner Antwort mehr gefunden, weil Catherine Heimpold in diesem Moment in den Raum getreten war, ein stilles, bleiches
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